Begleitheft zur Ausstellung

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Begleitheft zur Ausstellung
 Gegen den Strich -­‐ Çizmeyi aşma Karikaturen aus der Türkei 6. Januar – 24. Januar 2014 Asien-­‐Afrika-­‐Institut Edmund-­‐Siemers-­‐Allee 1 (Ost) 20146 Hamburg Öffnungszeiten: Montag-­‐Freitag: 10:00 bis 19:00 Uhr Der Eintritt ist frei. Begleitheft zur Ausstellung Konzept und Texte: Sina Gögen (SG), Evgi Güler (EG), Gamze Sevin, (GS), Christiane Stahl (CS), Yavuz Köse (YK), Unter Mitarbeit von Martina Schwalm. Dieses Booklet ist teilweise angelehnt an das Begleitheft „Die Nase des Sultans“ (Sabine Küper-­‐Büsch), Zeitlicher Abriss sowie biographische Angaben der Karikaturisten sind in Gänze vom Begleitheft „Die Nase des Sultans“ übernommen. Redaktion: Yavuz Köse, Tobias Völker Internet: http://gegendenstrichblog.wordpress.com/ 2 Einführung Die Ausstellung Gegen den Strich -­‐ Çizmeyi aşma! ist ein Geschenk -­‐ und dies im wortwörtlichen Sinne. Denn ohne die Schenkung von ca. 60 Karikaturen an das TürkeiEuropaZentrum Hamburg (TEZ) durch Sabine Küper-­‐Büsch wäre sie nie realisiert worden. Im Sommer 2012 überreichte sie dem TEZ die gesamte von ihr (gemeinsam mit Nina Rona) konzipierte und realisierte Ausstellung „Die Nase des Sultans“.1 Wir hätten diese wunderbare Ausstellung sicher unverändert in Hamburg ausstellen können, wurde sie doch seit 2008 nur an wenigen Standorten in Deutschland gezeigt. Doch war schnell klar, dass die eigentliche Herausforderung darin bestehen würde, die Karikaturen abermals zu kontextualisieren, sie erneut zu „befragen“. Und dies sollte in Form eines Seminars geschehen. Aus der Lektüre von Forschungsliteratur zur Geschichte und Gegenwart türkischer zeichneri-­‐
scher Satire, den Diskussionen im Seminar sowie der Sichtung und Bewertung der Karikatu-­‐
ren schälte sich langsam ein thematischer Grundtenor heraus: die Grenzüberschreitung. Es wurde deutlich, dass das Medium Karikatur eine Art performative Grenzüberschreitung darstellt. Nach Oral Tan besteht die Aufgabe des Karikaturisten darin, zu einem unerwarte-­‐
ten Zeitpunkt die Reißzwecke auf den Stuhl zu platzieren. Es muss wehtun. Aber auch die in den Karikaturen behandelten Sujets selbst überschritten eine Reihe von Grenzen, mit dem Anspruch einen „Funken Wahrheit“ zu präsentieren – mittels der Allegorie, Metapher, Sym-­‐
bolik, kollektiver Erinnerung oder anderen kulturellen und sozialen Codes, die dem Leser-­‐
kreis vertraut sind. Die Karikaturen überschreiten Grenzen (çizmeyi aşmak), gehen gegen den Strich, um die neuralgischen Punkte gesellschaftlicher Konstellationen offenzulegen. Grenzen begegnen uns zunächst als territoriale Grenzen, die in nationalstaatlichen Kontex-­‐
ten als unveränderlich wahrgenommen werden, im historischen Verlauf jedoch ständigen Veränderungen unterzogen waren. Im Falle der Türkei lässt sich dies gut veranschaulichen: das Osmanische Reich – in seiner größten Expansion im 17. Jahrhundert auf drei Kontinen-­‐
ten herrschend – hatte im Verlauf seiner Geschichte beständig sich ändernde Grenzen, die häufig mehr lose denn fix waren. Im Prozess der Desintegration, deren Beginn man in das späte 18. Jahrhundert verorten könnte, schrumpfte der Einflussbereich des Reiches, bis es im Zuge des 19., aber vor allem während des frühen 20. Jahrhunderts (Balkankriege, I. Welt-­‐
krieg, Befreiungskrieg) auf einen territorialen Rumpfrest schmolz, den wir heute als die Re-­‐
publik Türkei kennen. So entstand ein Nationalstaat, der in diesen Tagen sein 90jähriges Jubiläum feiert, dessen Grenzen aus den tragischen Ereignissen der letzten Jahre des Osmanischen Reiches hervor-­‐
gegangen war. Zuvor ein Vielvölkerstaat mit unzähligen Ethnien, Religionen, Sprachen, sollte aus der durch Krieg, Vertreibung und Massenmord dezimierten Restbevölkerung eine neue „türkische“ Nation entstehen. Mit den territorialen Nationalgrenzen schuf die nun nach Außen souveräne Republik Türkei eine Reihe (neuer) exklusiver „innerer“ Grenzen, die als nötig erachtet wurden, um eine auf einer „türkischen Identität“ basierende kulturell homogene Nation zu schaffen und (im Wortsinne) zu bilden, nicht zuletzt, um sich von dem osmanischen Erbe abzugrenzen. Die neuen gesellschaftlichen Grenzen, verstanden als Aus-­‐ und Abgrenzungsmechanismen, sollten der Nation Halt und Orientierung bieten. 1
Küper-­‐Büsch, Sabine, Nina Rona, Die Nase des Sultans. Karikaturen aus der Türkei. Padişahın Burnu. Türkiye'den Karikatürler. Istanbul 2008. 3 Dass dies – als Fortführung spätosmanischer/jungtürkischer Politik – über eine Top-­‐Down-­‐
Vermittlung geschah und die Umsetzung des häufig als „Kulturevolution“ bezeichneten radi-­‐
kalen Prozesses mehr oder weniger „über Nacht“ zu geschehen hatte, ohne dabei die gesell-­‐
schaftlichen Realitäten und Widerstände gelten zu lassen, mag die immensen gesellschaftli-­‐
chen, sozialen und politischen Konflikte, die seit den Anfängen der Republik Teil der türki-­‐
schen Realität sind, nachvollziehbarer machen. Es scheint, als ob Staat und Gesellschaft von jeweils anderen „Grenzerfahrungen“ geprägt waren. Der Staat und lange Zeit vor allem das Militär sah sich dabei als Garant der sogenannten ke-­‐
malistischen Prinzipien; beide wachten darüber, dass die gesetzten Grenzen nicht verletzt wurden (Trennung von Staat und Religion, unbedingte Ausrichtung auf den Westen, Laizis-­‐
mus etc.). Die nach wie vor religiös, sprachlich und ethnisch plurale Gesellschaft stieß in den letzten 90 Jahren immer wieder an diese Grenzen, aber auch an ihre eigenen. Zahlreiche Themen [Religion vs. Säkularismus, ethnische Grenzziehungen (Türken vs. Kurden), Diversität (Minderheiten)] bilden dabei geradezu eine Konstante türkischer Geschichte. Das Medium der zeichnerischen Satire – die Karikatur – hat seit dem späten 19. Jahrhundert Eingang in die osmanische (armenische, griechische, jüdische, türkische) Presse gefunden. Sie konnte sich dabei auf lokale Formen der Satire, des Humors beziehen (Karagöz, Nasred-­‐
din Hoca). Auch in der neuen Republik lebte diese Tradition fort. Aber ähnlich wie die osma-­‐
nische Satire nicht zwingend (nur) die „Grenzüberschreitungen“ der „Herrschenden“ auf-­‐
spießte, zeigen auch die Karikaturen bzw. die Satirezeitschriften der frühen Republik – bis auf wenige Ausnahmen – eine klare ideologische Ausrichtung, die selten die Grenzen der Staatsräson überschritten. Oftmals dienten Karikaturen eher zur Idealisierung der neuen Republik, nicht selten durch die Abgrenzung von ihren realen und imaginierten Feinden (vgl. Akbaba etc.). Doch finden sich für die 1930er bis 1950er Jahre sehr gelungene und stilbilden-­‐
de Karikaturen, die gesellschaftliche (häufig urbane) Verhältnisse und soziale Gräben thema-­‐
tisieren. Hier sind vor allem Cemal Nadir und Ramiz als einflussreiche Zeichner zu nennen. Überhaupt lassen sich Demokratisierungsprozesse recht eigentlich erst mit dem Ende der Einparteienherrschaft (zuweilen auch als Einparteien-­‐Diktatur bezeichnet) und der Einfüh-­‐
rung des Mehrparteiensystems ab 1946 beobachten. Die ersten Jahre der 1950er Jahre sind geprägt durch eine von der Demokratischen Partei (Demokrat Partisi, DP) unter der Führung von Adnan Menderes (1899/1900-­‐1961) forcierten wirtschaftlichen Liberalisierung und „de-­‐
fensiven Modernisierung“, die die gesellschaftliche Kluft zwischen den Klassen weiter verstärkt. Die finanziellen Ressourcen erhielt die Türkei vor allem aus den USA und wurde in das „internationale Gefüge westlicher Institutionen“ eingebunden (Einbeziehung in den Marshallplan 1948, Mitglied im Europarat 1949, Aufnahme in die NATO 1952). In dieser Zeit kommt der Religion erstmals wieder eine gesellschaftspolitische Rolle zu. Damit beginnt auch die „goldene Ära“ der türkischen Karikatur, gekennzeichnet durch ihre zurückgenommene Formensprache, die gänzlich auf das bis dahin notwendige Wort zum Bild verzichtet und nunmehr nur das Bild sprechen lässt. Die Karikaturisten der 1950er und 1960er Jahre orientieren sich dabei klar an westlichen, vor allem an amerikanischen Vorbildern und globalen Themen. Zu nennen sind hier die Arbeiten von Ali Ulvi Ersoy, Altan Erbulak und vor allem Turhan Selçuk. Die thematische Bandbreite erstreckt sich von „freiheitlichem Impetus, der Kritik am gesellschaftlichen System, [dem] Verhältnis von Arbeitern und Arbeitgebern, [bis] zur Kluft zwischen den Klassen, [und dem] Zusammen-­‐
hang zwischen Politik und Wirtschaft“ (Akdağ Saydut). Die Angst vor „der Rückkehr des Islam als politischer Macht“ ist ebenfalls Thema in den Satirezeitschriften (z.B. Marko Paşa). 4 Mit der gegen Ende der 1950er Jahre einsetzenden wirtschaftlichen und politischen Krise sowie dem zunehmend antidemokratischen und repressiven Kurs der Demokratischen Partei (DP) endet der erste Ausflug der Türkei in die Demokratie abrupt: im ersten Militärputsch (27. Mai 1960). Die Karikaturisten der Jahre 1950-­‐1960 gelten als die „1950er Generation“. Ihr abstrakter-­‐intellektueller Zeichenstil ist zwar stilbildend, konnte jedoch den durch die einsetzende Industrialisierung und die starke Binnenmigration in die Städte sich vollziehen-­‐
den gesellschaftlichen Transformationen und damit neuen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. In den 1970er Jahren bricht eine neue Generation von Karikaturisten mit dieser „elitären“ Form der Karikatur („Salon-­‐Satire“), was im Erscheinen der Zeitschrift „Gırgır“ sowohl formal, als auch inhaltlich und sprachlich am sinnfälligsten zum Ausdruck kommt. Diese Zeitschrift und ihre Macher (hier ist vor allem der Chefredakteur und Zeichner Oğuz Aral zu nennen) bildeten die Riege der neuen Karikaturisten aus. Thematisch, bildlich und sprachlich werden neue Leserkreise – oft eine aus dem Ländlichen stammende junge Bevölkerung – erschlossen, deren Lebensrealitäten nun im Fokus der Zeichner stehen. Zugleich werden die durch die Binnenmigration entstandenen Gräben zwischen den „Städtern“ und „Dörflern“ aufgegriffen. Die sozialen Spannungen entladen sich schließlich in bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen „rechten“ und „linken“ Gruppierungen; der Staat tritt nun mit voller Härte gegen „innere Feinde“ an, um die gesetzten Grenzen wieder zu befestigen. Dies hat natürlich auch für die Zeichner seinen Preis: viele Karikaturisten werden juristisch verfolgt, nicht selten landen sie dabei im Gefängnis. Mittlerweile hat das Land (nach 1960, 1971) seinen dritten Putsch (12. September 1980, mit Kenan Evren als Generalstabschef) und seine dritte Verfassungsänderung hinter sich, die abermals zeigt, dass vor allem nach Innen die Grenzen fester gezurrt werden: Beschneidung grundlegender demokratischer Rechte, neue staatliche Antworten auf die gesellschaftlichen Verwerfungen („islamisch-­‐
türkische Synthese“, Islam als gesellschaftliches Bindeglied, Isolation nach außen). „Äußere“ und „innere“ Feinde werden dabei geradezu „mystifiziert“ (Nigar Roga). Grenzen allüberall. Die Entwicklungen in der Türkei nach 1983 (den ersten Wahlen nach dem Putsch und der Verabschiedung der vom Militär vorgegebenen restriktiven Verfassung) sind vor allem mit Ministerpräsident Turgut Özal (1983-­‐1987, als Staatspräsident: 1987-­‐1991) und seiner ANAP-­‐
Partei (Mutterlandspartei) verbunden. Mit ihm hält eine wirtschaftliche Liberalisierung und damit Öffnung Einzug, eine konsumorientierte Gesellschaft etabliert sich. Die Politik wird wie zuvor misstrauisch vom Militär beäugt, letzteres fungiert nach wie vor als unabhängiges, demokratisch nicht legitimiertes Kontrollorgan, das mit der Verfassung von 1983 diesen Anspruch weiter festigte. „Eine Art türkischer dritter Weg [sollte] das Land und seine Jugend gleichermaßen von den Gefährdungen durch Kommunismus und Islamismus bewahren“ (Klaus Kreiser); dies sollte das System der „gelenkten Demokratie“ sicherstellen. Die Einmi-­‐
schung des Militärs – über seine eigentliche Aufgabe, die Verteidigung der Landesgrenzen hinaus – in zahlreiche gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche zeigt sich im Aufbau eines militär-­‐industriellen Komplexes, der sich ebenso im Einzelhandel, dem Bankwesen aber auch in der Immobilienbranche betätigt sowie in Joint Ventures mit der Privatwirtschaft investiert. Die immense Zahl von Regierungsbildungen (zwischen 1983 und 2003 sind es 13 zivile Kabi-­‐
nette) weist nicht nur auf die Instabilität des Landes, sondern auch auf das geringe Vertrau-­‐
en der Bevölkerung in die politischen Parteien, die sich zu „klientelistischen Apparaten“ (Dietrich Jung) entwickelt hatten. Eine gewisse Kontinuität herrscht allenfalls in den immer wieder kehrenden Politprofis, die seit den 1970er Jahren das Feld bestimmten (Bülent 5 Ecevit, Süleyman Demirel, Necmettin Erbakan); hier avanciert vor allem Süleyman Demirel zum „Liebling“ der Karikaturisten. Insbesondere der Kampf gegen die PKK, der bürgerkriegsähnliche Ausmaße mit über 40.000 Toten annimmt, bestimmt die 1980er und 1990er Jahre. Die 1990er Jahre sind zudem von einer wachsenden gesellschaftlichen Polari-­‐
sierung – „Säkularisten“ vs. „Islamisten“ -­‐ geprägt. Der Islam wurde seit den 1950er Jahren in die parteipolitischen Erwägungen miteinbezogen, in den 1960er Jahren folgten weitere Schritte der Integration des (ausschließlich) sunniti-­‐
schen Islams. Religiöse/Islamistische Parteien – hier spielt Necmettin Erbakan eine führende Rolle – wurden gegründet, verboten, abermals unter anderem Namen gegründet und ge-­‐
wannen zunehmend an Einfluss. Der Staat/das Militär – Wächter des türkischen Laizismus (also der staatlich kontrollierten, exklusiv sunnitischen Religion) – beobachtet diese Ent-­‐
wicklungen nicht nur misstrauisch, sondern gestaltet aktiv mit: die Synthese nationalistischer und religiöser Ideologien, wie sie sich seit den 1960er Jahren formiert hatte (und nach manchen die Wiederaufnahme der osmanischen Eliten darstellt, vgl. Dietrich Jung), wird nun institutionalisiert und festigt abermals die innere Grenzziehung. Zugleich jedoch geraten diese Grenzen ins Wanken. Das Ideal des säkularen, westlich orientierten „Türken“ und vor allem der „Türkin“, die zuallererst der türkischen Nation/dem Staat zu dienen hatten, bekam Risse. Ohnehin zeigt sich, dass der ländliche Alltag der Türkei, der durch die ab den 1950er Jahren einsetzende Binnenmigration in die Städte getragen wurde, nicht viel mit diesem Ideal gemein hatte, sondern durchaus noch traditionelleren, am Islam orientierten Grenzen verhaftet war; von Gleichberechtigung fehlte (und fehlt) bisweilen jede Spur. Ein gefundenes Fressen für die Karikaturisten der 1970er und 80er, ja eigentlich bis heute: die Geschlechterrollen und -­‐grenzen. Die sich in den 1980er Jahren formierende Frauenbewegung sollte hier maßgeblich Einfluss auf die Karikaturisten und Karikaturistinnen der Folgejahre haben. Gerade im urbanen Raum, der durch die Modernisierungsbestrebungen städtebaulich und gesellschaftlich andere Wege einschlug, trafen nun durch die – erst in den letzten Jahren sich verlangsamende – ländliche Migration scheinbar inkompatible Kulturen aufeinander, die am eindrücklichsten in den Karikaturen der Gırgır-­‐Zeitschrift eingefangen wurden. Der in den 1990er Jahren, aber vor allem nach der Zollunion mit der EG/EU erfolgte, rasante wirt-­‐
schaftliche Aufschwung (unterbrochen von einigen schweren Krisen) änderte die urbane Struktur nachhaltig. Die staatlich gelenkte Modernisierung der Städte (neben Ankara vor allem Istanbul), die seit den 1950er Jahren betrieben wird, übernehmen nun privat-­‐
wirtschaftliche Unternehmen (freilich in enger Kooperationen mit staatl. Institutionen); selten nehmen sie dabei Rücksicht auf die gewachsenen historischen Raumstrukturen und das soziale Gefüge. Dieser Prozess des urbanen Wandels/Wildwuchses wurde und wird bis auf den heutigen Tag von der zeichnerischen Satire dokumentiert. Die Mehrheit der Bevölkerung der Türkei (über 75%) lebt heute in Städten; Istanbul allein mag ca. 15 Millionen der etwa 75 Mio. Einwohner der Türkei beherbergen. Unbestritten ist Istanbul – „die Stadt“ – das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Dabei ist die oft als der multikulturelle Nabel der Türkei beworbene Metropole vor allem auch durch Be-­‐
wohner ursprünglich ländlicher Gegenden geprägt. Diejenigen aber, die das multikulturelle Bild gestalten, sind die Intellektuellen, Journalisten, Schriftsteller oder Künstler. Nicht wenige unter ihnen sind Angehörige der griechischen, armenischen oder jüdischen Minderheit, deren Zahl heute durch die staatlichen und gesellschaftlichen „Grenzziehungen“ auf einen geringen Wert gesunken ist. Und doch sind 6 sie es, die zur vielbesungenen Multikulturalität der Stadt beitragen – oft, indem sie die sichtbaren und unsichtbaren Grenzen des Sag-­‐, Mach-­‐ und Darstellbaren überschreiten. Dem (auch touristisch instrumentalisierten) Bild des kulturellen Schmelztiegels, dem Ort der Diversität stand und steht allzu häufig das Kollektive gegenüber. Grenzüberschreitend zu sein kann bisweilen einen hohen Preis haben. Die Bandbreite reicht dabei von juristischen Klagen (gegen Satirezeitschriften wie Schriftsteller), absurden Verurteilungen, Berufsverbo-­‐
ten (von politisch aktiven Wissenschaftlern, Studenten, Journalisten) bis hin zu tödlichen Übergriffen auf Kulturschaffende, die als „innere Feinde“ markiert werden. Hier ist der bis heute nicht restlos aufgeklärte Mord an Hrant Dink -­‐ Herausgeber der armenisch-­‐türkischen Wochenzeitung AGOS – im Jahre 2007 hervorzuheben. Die Türkei verstand sich spätestens seit ihrer Gründung als Teil der „europäischen Zivilisa-­‐
tion“, und mit der Aufnahme der EU-­‐Beitrittsverhandlungen im Jahre 2005 scheinen die EU-­‐
Mitgliedstaaten dies zu bestätigen. Dass dieser Annäherungsprozess allerdings immer wieder an seine territorialen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Grenzen stößt, ist auf beiden Seiten offenbar. Die Türkei ist auf dem Weg, ihre selbstgesetzten Grenzen aufzuheben; die Frage ist, ob die alten durch neue ersetzt werden oder der Demokratisierungsprozess der Diversität der Ge-­‐
sellschaft und dem Schutz jeden Bürgers unabhängig seiner ethnischen und weltanschauli-­‐
chen Position in angemessener Weise Rechnung trägt. Letztlich wird es hierfür stabile staat-­‐
liche Institutionen geben müssen, die unparteiisch und fair den Schutz der individuellen Bür-­‐
gerechte zu garantieren im Stande sind. Hierfür ist ein genereller Wandel in der politischen Kultur und im Demokratieverständnis sicherlich unumgänglich. Ganz gleich, ob Kemalisten oder „Muslim nationalists“ (Jenny White), allzu häufig wird Demokratie als Mandat (miss-­‐) verstanden, die Normen der eigenen Gruppe anderen aufzuzwingen. Die Planungen der Ausstellung wurden durch die Ereignisse des Sommers 2013, d.h. den Gezi-­‐Park-­‐Protesten, die sich von einer kleinen Demonstration von Umweltaktivisten zu einer landesweiten Protestbewegung gegen die nun seit über 10 Jahren regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP, Adalet ve Kalkınma Partisi) ausweitete, auf span-­‐
nende Weise befruchtet. Daher lag es nahe, auch die jüngsten Entwicklungen und ihre Auf-­‐
arbeitung in der zeichnerischen Satire der Türkei mit ins Programm zu nehmen. Die Ausstellung hat keinen Anspruch, alle Themen erschöpfend zu behandeln, die thematische Gliederung wurde vor allem durch das vorhandene Bildmaterial und die Auswahl der Seminargruppe bestimmt. Wir hoffen, dass die Selektion dennoch einen Einblick in die Entwicklung, die Formen sowie die thematische Bandbreite türkischer Karikaturen zu geben im Stande ist. (YK, MS) Weiterführende Literatur: §
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Günay, Cengiz, Geschichte der Türkei. Von den Anfängen der Moderne bis heute. Wien 2012. Kreiser, Klaus, Geschichte der Türkei. Von Atatürk bis zur Gegenwart. München 2013. Öktem, Kerem, Turkey sind 1989: Angry Nation. London, New York 2011. Steinbach, Udo (Hrsg.), Länderbericht Türkei. Bonn 2012. Wenzel, Anna-­‐Lena, Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst. Ästhetische und philosophische Positionen. Bielefeld 2011. White, Jenny, Muslim Nationalism and the New Turks. Princeton, Oxford 2013. 7 Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl von ca. 30 Karikaturen aus den Jahren 1959 bis 2013. Sie sind in fünf thematischen Blöcken organisiert: §
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Politischer Islam – Säkularismus Geschlechterrollen Diversität: Minderheiten und Meinungsfreiheit Urbanisierung GEZI-­‐Park Nach einem chronologischen Abriss der Geschichte der Karikatur in der Türkei folgen Texte zu den thematischen Blöcken der Ausstellung. Dem schließt sich die Vorstellung der in der Ausstellung gezeigten Karikaturen und ihrer Zeichner an. Der Begleitband enthält ferner die Kurzvorstellung der behandelten Medien und eine Besprechung der in der Bibliothek des Asien-­‐Afrika-­‐Instituts befindlichen osmanischen Satirezeitschriften. Schließlich findet sich am Ende eine kleine Auswahl weiterführender Literatur. Nasreddin Hoca (Tan Oral) 8 Zeitlicher Abriss Satire und Karikaturen in der Türkei 1300 Die ersten Geschichten um Nasreddin Hodscha entstehen. Der Hodscha (Lehrer) ist ein Derwisch, ein Angehöriger einer muslimischen religiösen Ordensgemeinschaft Die sich um ihn rankenden Witze sind gleichnishaft und oft doppeldeutig. Diese Geschichten werden nicht nur in der Türkei, sondern auch auf dem Balkan, in Kleinasien, dem Kaukasus und Zentralasien erzählt Wie etwa die berühmte Geschichte über den Pelz beim Bankett: Nasreddin Hodscha geht in seiner Alltagskleidung zu einem Bankett Niemand beachtet ihn. Er eilt nach Hause, wirft seinen prächtigen Pelzmantel über und kehrt zurück. Er wird herzlich begrüsst. Als die Suppe serviert wird, tunkt der Hodscha das Revers seines Mantels in die Schüssel und sagt: "Bitte, bedien Dich. Iss mein Pelz, iss, Dir gebührt die Ehr!" 1500 Die Tradition des Schattenspieltheaters entwickelt sich. Das türkische Schattenspiel heißt Karagöz (Schwarzauge), nach der gleichnamigen Hauptfigur. Karagöz ist ein einfacher, witzig gerissener Mann aus dem Volke und bildet zusammen mit seinem Nachbarn Hacivat, einem gebildeten Vertreter der städtischen Bildungsschicht, die Hauptakteure im Schattenspiel. Neben ihnen treten weitere Figuren als Repräsentanten der verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen des Osmanischen Reiches auf. Die für das Schattentheater benötigte Kulisse besteht aus einer hölzernen Rahmenkons-­‐
truktion. Der dahinter verborgene Spieler agiertfür das Publikum unsichtbar-­‐ mit den Schattentheaterfiguren vor einem Bühnenfenster, das mit einem hellen, transparenten Stoff bespannt ist. Die Figuren sind flache Scherenschnitte aus dünnem, durchsichtig geschabtem und bunt gefärbtem Leder, oft aus Kamelhaut. Ihre Größe schwankt zwischen zehn und 40 Zentimetern. Titelseite der osmaniscn-­‐türkischen Zeitschrift Karazöz (1908-­‐1939) mit Karagöz und Hacivat. 9 1600 -­‐1700 Die Blütezeit des Schattentheaters. Es wird vor allem im Fastenmonat Ramadan nach Sonnenuntergang öffentlich aufgeführt, und genießt sowohl am osmanischen Hof als auch beim Volk höchstes Ansehen. 1839-­‐1876 Die an Europa orientierte Reform-­‐Phase des "Tanzimat" (Neue Ordnung) bringt ein neues Justizsystem hervor, das Muslime und Nicht-­‐Muslime weitgehend gleichstellt. Das Steuerwesen wird reformiert, die Pressepublikationen steigen an. Als vermutlich erste osmanische Satirezeitschrift erscheint am 12. November 1870 Diyojen (Diogenes), Herausgeber ist der Armenier Teodor Kasap. Die Minderheiten forcieren die satirische Presse. Die Orientierung der Oberschicht an Europa ist ein zentrales Thema. Die neuen Pressegesetze schützen nicht immer vor der Zensur. Nach der Schließung von Diyojen (1873) gibt Teodor Kasap die Zeitschrift Hayal (Die Illusion) heraus. Die Zeichnung des armenischen Zeichners Nişan Berberyan kritisiert die willkürliche Handhabung der Pressegesetze. Sie bringen den Verleger Kasap für drei Jahre in das Gefängnis. „Was ist das für ein Zustand Karagöz?“ – „Gesetzlich bestimmte Freiheit, Hacivat“ (aus Hayal (Die Illusion), 8.2.1876) 1876 – 1908 Abdülhamid II. (1842-­‐1918) besteigt am 31. August 1876 den Thron. Er lässt die gerade eingerichtete Verfassung außer Kraft setzen. Der Sultan regiert über dreißig Jahre lang autoritär. Strenge Zensurgesetze werden erlassen. Neben den Begriffen "Freiheit" und "Gleichheit" steht auch das Wort "Nase" auf dem Index. Abdülhamid II. hasst Kommentare zu seiner Person und verabscheut Anspielungen auf sein Riechorgan. Die Nase des Sultans wird daraufhin ein zentrales Motiv der zeichnerischen Satire. Als am 23. Juli 1908 die zweite konstitutionelle Monarchie von den militärisch sich durchsetzenden Jungtürken ausgerufen wird, ist die Phase der Despotie beendet. Aber auch nach der Entthronung von Abdülhamid II. am 27. Apri l 1909 bleibt "die Nase des Sultans" das Symbol für die Überkommenheit der absolutistischen Monarchie. 10 Abdülhamid II., von Cemil Cem in der französisch-­‐osmanischen Satirezeitschrif Kalem (Der Stift) 1909 (16. April 1909, Heft 34) 1908 -­‐1918 Innerhalb der konstitutionellen Monarchie formen die Jungtürken eine Macht zentrierende Einheitspartei, fast alle Satire-­‐Zeitschriften weichen erneut der Zensur und verschwinden. Im Zuge des an der Seite des Deutschen Reiches verlorenen ersten Weltkrieges (1914-­‐1918) erstarkt der türkische Nationalismus. Die Zeitschrift Karagöz wird zu einer parteinahen Publikation der Jungtürken. 1918-­‐1923 Die Truppen um den späteren Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk (1881-­‐1938) beginnen gegen die Weisung des kapitulierenden Sultans Mehmet Vahdettin VI. (1861-­‐1926) am 19. Mai 1919 einen Unabhängigkeitskampf gegen die europäischen Basatzungsmächte. Der Friedensvertrag von Lausanne (24.07.1923) legt die heutigen Grenzen der Türkei fest. Am 29.10.1923 wird die Republik ausgerufen. Die Zeitschriften Güleryüz (lachendes Gesicht) und Karagöz ergreifen in dieser Phase Partei für Kemal und seine Truppen, die Zeitschrift Aydede (Opa Mond) bleibt dem Sultan treu. 1923 -­‐1930 Mustafa Kemal (seit 1934 "Atatürk") forciert einen Nationalstaat nach europäischem Vorbild und wird erster Präsident der Republik. Er setzt 1924 die Abschaffung des Sultanats und Kalifats sowie die Verbannung der Religion aus dem öffentlichen Sektor durch. 1926 wird ein Bürgerliches Gesetzbuch eingeführt, 1928 das lateinische Alphabet. 1930 erhalten die Türkinnen das Wahlrecht. Cemal Nadir Güler (1902-­‐1947) veröffentlicht in der Abendzeitung Akşam (Der Abend) eine für den Anbruch der neuen Zeiten stehende, berühmte Karikatur. 11 Hicret! von Cemal Nadir Güler, Akşam, 01.12.1928 Die Hidschra (Hicret) bezeichnet den Auszug der Muslime von Mekka nach Medina im Jahre 622. Hier symbolisiert die Zeichnung den Auszug der arabischen Schrift aus der Türkei nach der Sprachreform 1928, bei der das lateinische Alphabet eingeführt wird. 1930 – 1950 Die Modernisierung der Metropolen schafft eine nachhaltige Kluft der Lebensstile zwischen Stadt und Land in der Türkei. In den 1930ern und 1940ern entstehen vor allem Zeichnungen des urbanen Lebens und meisterhafte satirische Portraits. 1950 -­‐1970 In den 1950ern endet die Einparteienherrschaft der noch von Atatürk gegründeten "Republikanischen Volkspartei" (CHP). Die "Demokratische Partei" (DP) von Adnan Menderes stellt die Weichen für die nachfolgenden, konservativen Oppositionsparteien. Eine Liberalisierung der Wirtschaftspolitik verschärft die gesellschaftlichen Gräben. Die Religion soll dabei helfen, soziale Härten abzumildern. Dem Wunsch nach Demokratisierung wird vor allem durch die Liberalisierung der Gesetze entsprochen, die die Religion aus dem öffentlichen Leben verbannen. Nach achtzehn Jahren erschallt der Gebetsruf wieder auf Arabisch anstatt auf Türkisch. Die Satire blüht in jener Zeit. Die jungen Zeichner fürchten sich vor einer Rückkehr von Religion als politischer Macht und kritisieren die sozialen Unterschiede in der Zeitschrift Marko Paşa. Parallel entwickelt sich ein neuer Zeichenstil. Angelegt an die Trends in Europa und den USA etablieren sich kommentarlose Zeichnungen, ein abstrakter, reduzierter schwarzer Humor im Stil der reinen Linie. Die innovativen Zeichner jener Phase gelten seither als die" 1950er Generation“. 1970er und 1980er Gırgır (Spaß) erscheint das erste Mal im August 1972. Nach dem Militärputsch vom 12. März 1971 herrscht eine parteilose Übergangsregierung. Anders als beim Putsch im Jahr 1960 gegen die Menderes-­‐Regierung sind diesmal die politisierten Studenten Ziel von Repression. Chefredakteur Oğuz Aral hält Distanz zu dem abstrakt-­‐intellektuellen Zeichenstil der 1950er Generation. An den Rändern der Metropolen sind als Folge der Landflucht „gecekondu“ 12 („über-­‐Nacht-­‐gebaut“, bezeichnet illegalen Wohnungsbau) entstanden. Arals Hauptfigur, Avanak Avni, Der dusselige Avni, ist ein Kind dieser Vorstadt-­‐Viertel. Die Sprache der kleinen Leute hält Einzug in die sich mehr zu Comic-­‐Strips wandelnde Welt der Karikaturen von Gırgır. Aral bildet eine ganze Generation von Zeichnern in der Redaktion von Gırgır aus. Das Heft erreicht Rekordauflagen von bis zu einer halben Million Exemplaren. 1990er bis heute Die Gırgır-­‐Schule bringt die zentralen Zeichner der heutigen Satirezeitschriften hervor. Schon 1986 entsteht die Zeitschrift Limon (Zitrone), 1992 LeMan, 2002 Penguen (Pinguin) und 2007 Uykusuz (Schlaflos). Sie prägen Ausdrücke wie "maganda", eine Wortschöpfung der 1990er für den unintegrierten Neustädter. Auch wenn keine der Zeitschriften an den kommerziellen Erfolg von Gırgır heranreicht, so haben sie mit Auflagen zwischen 15. und 40.000 Exemplaren einen etablierten Platz in der türkischen Medienwelt. Der Markt der Satire ist umkämpft und lebt von der ständigen Erneuerung. Die Zeichner trennen sich manchmal aus inhaltlichen Gründen, oft sind auch wirtschaftliche Faktoren entscheidend. Gleichzeitig entwickelt sich parallel die klassische Zeitungskarikatur weiter. Alle Tageszeitungen haben heute prominente Zeichner als politische Kommentatoren. Weiterführende Literatur: §
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Çeviker, Turgut, Karikatürkiye. Karikatürlerle Cumhuriyet Tarihi, 3 Bde. (Bd. 1: Tek Parti ve Demokrat Parti Dönemi (1923-­‐1960), Bd. 2: 27 Mayıs’dan Liberalizme (1960-­‐
1991), Bd. 3: Merkezin Çöküşünden Muhafazakar Demokrasiye (1991-­‐2008)). Istanbul 2010. Koloğlu, Orhan, Türkiye Karikatür Tarihi. Istanbul 2005 Küper-­‐Büsch, Sabine, Nigar Rona, Die Nase des Sultans. Karikaturen aus der Türkei. Padişahın Burnu. Türkiye’den Karikatürler. Istanbul 2008. Kutay, Cemal, Osmanlı’da Mizah 1868-­‐... : Kişiler, Olaylar, Belgeler, Çizgiler, Dergiler. Istanbul 2013. Özdiş, Hamdi, Osmanlı Mizah Basınında Batılılaşma ve Siyaset 1870-­‐1877. Istanbul 2010. 13 Themen im Einzelnen Politischer Islam und Säkularismus in der Türkei Seit der Gründung der türkischen Republik im Jahr 1923 versteht sich die Türkei als einen demokratischen, laizistischen Staat. Gelebt wird allerdings keine strikte Trennung von Staat und Religion, vielmehr praktiziert die Republik Türkei eine staatliche Kontrolle der Religionsausübung. Der Islam, der im Osmanischen Reich als „Staatsreligion“ galt, und die Scharia wurden durch Mustafa Kemal (Atatürk) aus der Verfassung gestrichen und von diesem durch den Laizismus als politischen Grundsatz ersetzt. Jedoch ist dieser Prozess keineswegs im herkömmlichen Sinne demokratisch verlaufen. Mustafa Kemal, der der Militärriege entsprang, baute auf den Trümmern des Osmanischen Reiches die Türkische Republik auf. Doch war der Wechsel von einem traditionellen, durch Religion geprägten System hin zu einem modernen Nationalstaat kein Ergebnis einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung. Vielmehr verlief der Übergang zur „Demokratie“ ohne die relevante Teilnahme der Bevölkerung und wurde von der politischen (Militär-­‐)Elite des Landes unter Führung Atatürks initiiert und realisiert. So herrschte bis zum Jahr 1946 in der Republik Türkei eine „Ein-­‐Partei-­‐Diktatur“, die sich auf das Militär und die Kader der CHP (Republikanischen Volkspartei), die von Atatürk im Jahr 1923 gegründete erste politische Partei, stützte. Die CHP infiltrierte nahezu alle gesellschaftlichen Domänen und ließ darüber hinaus keinerlei politische Opposition, die gegen sie agierte, zu. Mit dem gesellschaftlichen Wandel und schließlich dem Übergang zu einem Mehrparteiensystem im Jahr 1946 allerdings brach das Machtmonopol der CHP auf. Im selben Jahr gründeten eine Reihe ehemaliger CHP-­‐Mitglieder die Oppositionspartei DP (Demokratische Partei, 1946-­‐1960). Die DP schlug einen neuen politischen Kurs ein, sie lehnte zwar die Westorientierung der CHP nicht ab, verfolgte sie aber nicht mit demselben Eifer, sondern konzentrierte sich mehr auf liberale, konservative Ziele und die Wiederbelebung eines sunnitisch-­‐nationalistischen Erbes. Die Regierungszeit der DP und ihrer Nachfolgeparteien waren Jahre, in denen zahlreiche politische Veränderungen stattfanden. Das durch Atatürk erlassene Verbot des arabischen Gebetsrufes beispielsweise wurde im Jahr 1950 aufgehoben. Zahlreiche Moscheen wurden gebaut und theologische Fakultäten an den Universitäten eingerichtet. Besonders Süleyman Demirel, Gründer der AP (Gerechtigkeitspartei, 1961-­‐1981), einer Nachfolgepartei der DP, scheute nicht davor zurück, mit Hilfe islamischer Symbolik die Stimmen, insbesondere der ländlichen Bevölkerung, zu erlangen. Ali Ulvi Ersoys Süleyman Demirel-­‐Karikatur (Ohne Titel) (Bild 1) greift diese Thematik gezielt auf. Demirel war in den Jahren 1963 bis 1980 Vorsitzender der konservativen AP (nach Militärputsch im Jahr 1980 verboten) und von 1987 bis 1993 Kopf der Partei des Rechten Weges (Nachfolgeorganisation der AP ab 1983). Er war viermal Ministerpräsident und von 1993 bis 2000 Staatsoberhaupt der Republik Türkei. Auch Turhan Selçuk veröffentlichte Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre eine Reihe von Karikaturen (alle ohne Titel) (Bilder 2/3), die sich mit der von Teilen der Bevölkerung befürchteten Islamisierung auseinandersetzen und stellt hierbei insbesondere die Verschleierung der Frau in den Vordergrund; teils um den unterdrückenden Charakter der Verhüllung aufzuzeigen, teils um die Bigotterie herauszuarbeiten. 14 Seit den 1960er Jahren sahen viele den wachsenden Einfluss der Religion, unter anderem gekennzeichnet durch den zunehmenden Bau von Moscheen, als Maß für den Grad der (Re)Islamisierung im eigenen Land an und den konservativen Parteien wurde angelastet, die Politik als machtstrategisches Instrument zu nutzen. Tatsächlich brachte diese Regierungsphase jedoch mehr wirtschaftliche, politische und kulturelle Freiheit als jene zuvor. Zumal die Politiker des rechts-­‐konservativen Lagers die zentralen Inhalte des Kemalismus nie wirklich in Frage stellten; bis sich im Jahr 1970 Necmettin Erbakan mit seiner islamistisch ausgerichteten MNP (Nationale Ordnungspartei) hervortat und eine politische Programmatik, welche sich direkt auf das „Muslimentum“ bezog, verfolgte und wieder zu beleben forderte. Auf Grund der zum Kemalismus kritischen Positionierung dieser Partei wurde sie daraufhin verboten (um in den folgenden Jahren unter jeweils geändertem Namen weiter aktiv zu sein). In den 1980er sowie 1990er Jahren fand die religiös-­‐
nationalistische Politik ihre Fortsetzung. Seit Beginn der 2000er Jahre stellt die dezidiert wert-­‐konservative Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) die Regierung in der Republik Türkei und gewann seither kontinuierlich an Zulauf. Während dieser Regierungsperiode fanden bisher die größten formalen demokratischen Veränderungen seit der Gründungsphase der Republik statt. Infolgedessen erlebt auch der politische Einfluss des Militärs einen Erosionsprozess, welches nach ursprünglicher kemalistischer Auffassung als Kontrollorgan der Regierung fungiert. Im Zusammenhang mit der scheinbar wachsenden Religiosität innerhalb der türkischen Bevölkerung kam nebst der Debatte über das Tragen religiöser Symbole (z.B. Kopftuch, Schleier) auf. Aus kemalistischer Sicht steht das religiöse Kopftuch für ein politisches Symbol einer islamistischen Bewegung. Viele religiöse Muslime sehen in dieser Auseinandersetzung jedoch keine religiöse Debatte, sondern lediglich einen ideologischen Kampf zwischen dem Bevölkerungsteil, der die kemalistischen Prinzipien weiterhin aufrechterhalten möchte und dem, der die zunehmend religiös werdenden gesellschaftlichen Strukturen unterstützt. Der weniger religiöse Bevölkerungsteil der Türkei sieht diese scheinbar wachsende Religiosität, die sich auch im Alltagsleben wiederfindet, oftmals als Einschränkung und Beschneidung der eigenen Freiheit. Diesen „Kampf der Kulturen“ thematisiert Emre Ulaş in Die Neusteinzeit: Der „Turban“ am Strand (Bild 4). Ferner kommt es oft zu Kritik an der Bigotterie der religiösen Praxis, beispielsweise die Verschleierung der Frau oder die stringenten patriarchalischen Strukturen betreffend. Dieses Thema greift auch Yiğit Özgür in seinen Zeichnungen auf. Gewitzt spielt er in seiner Matroschka-­‐Karikatur (Ohne Titel) (Bild 5) neben patriarchalischen Strukturen und Zwängen, auch auf die Bedeutung des Fundamentalismus im Islam an. Den Fundamentalismus, doch in anderer Ausprägung, skizziert auch İzel Rozental in der Karikatur „Treffen der Religionen in Istanbul“ (Bild 6), in der er auf die Attentate einer türkischen Al-­‐Qaida Zelle anspielt, die am 15. sowie 20. November 2003 auf zwei Synagogen, das britische Konsulat und die Filiale der britischen HSBC-­‐Bank Anschläge verübte, bei denen etliche Menschen ums Leben kamen. Die Grundproblematik der Demokratiedefizite in der Republik Türkei findet ihre Ursache jedoch nicht zwingend in den Spannungen zwischen Säkularisten und religiösen Vertretern. Eher teilen beide Parteien ähnliche Werte, wie die nationalistische Sicht auf die Türkei, patriarchalische Strukturen, eine gewisse Autoritätshörigkeit oder den militärische Impetus. Es eint sie eine bestimmte Sicht auf die Türkei bzw. das „Türkentum“. Vielmehr scheinen das fortwährende Festhalten an alten Strukturen, die Vorstellung die eigene Sichtweise anderen aufoktroyieren zu müssen sowie die chronische Unsicherheit des Rechtssystems Hindernisse für eine wirkliche Demokratie in der Republik Türkei zu sein. (SG) 15 Weiterführende Literatur: §
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Informationen zur politischen Bildung. Türkei (Heft 313). Bonn. 2012. Kreiser, Klaus; Christoph K. Neumann. Kleine Geschichte der Türkei. Bonn 2006. Jung, Dietrich; „Das politische Leben: Institutionen, Organisationen und politische Kultur“, in: Udo Steinbach (Hg.), Länderbericht Türkei. Bonn. 2012, S.86-­‐120. Seufert, Günter; „Im Spannungsfeld von Laizismus und Islamismus“ in: Udo Steinbach (Hg.), Länderbericht Türkei. Bonn. 2012, S.207-­‐263. Bild 1: Ali Ulvi Ersoy Bild 2/3: Turhan Selçuk 16 Bild 4: Emre Ulaş Bild 5: Yiğit Özgür 17 Bild 6: İzel Rozental 18 Die Rolle der Frau in der Türkei Mit der Gründung der türkischen Republik im Jahr 1923 durch Mustafa Kemal (später Atatürk genannt) wurde die Stellung der Frau im Sinne einer rechtlichen Gleichstellung gestärkt. Bereits in spätosmanischer Zeit erfolgte die sukzessive Übernahme europäischer Gesetzesbücher, jedoch ohne die Scharia formell anzutasten. In der neuen Republik wurde das islamische Recht abgeschafft. Die Einführung eines neuen türkischen Zivilgesetzbuches nach Vorbild des Schweizer Zivilgesetzbuches (ZGB) brachte für die türkische Frau viele Erneuerungen und Freiheiten. So wurde zum Beispiel die Polygamie gesetzlich abgeschafft, nur die Zivilehe anerkannt und den Frauen das Scheidungsrecht zuerkannt sowie die Möglichkeit auf höhere Bildung gegeben. Ebenfalls führte es dazu, dass ein nicht geringer Teil der weiblichen Bevölkerung in höhere Berufe gelangen konnte, etwa als Hochschullehrerinnen, leitende Angestellte oder Rechtsanwältinnen. Trotz dieser Fortschritte behielt der Mann dennoch bis in die 1990er Jahre seine Vormachtstellung als Familienoberhaupt bei und bestimmte nach wie vor den beruflichen Werdegang der Frau. Die Einführung des allgemeinen und uneingeschränkten Wahlrechts für Frauen in den 1930er Jahren (aktives Wahlrecht: 1930; passives Wahlrecht: 1934) war mitunter einer der wichtigsten Schritte in Richtung einer realen Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Trotzdem blieb und bleibt der Anteil der Frauen, die sich am politischen Geschehen beteiligen sehr gering – noch bei den Wahlen im Jahr 2011 betrug der Anteil an weiblichen Parlamentsabgeordneten in der Nationalversammlung nur 14%. Darüber hinaus repräsentieren diejenigen Frauen, die in höhere Berufe einsteigen konnten lediglich die Elite, die vornehmlich im urbanen Westen der Türkei angesiedelt war und noch immer ist. Das historisch in vielen Bereichen existierende Gefälle zwischen West-­‐ und (Süd)Osttürkei ist auch heute noch extrem, wobei seit den letzten Jahrzenten ein Angleichungsprozess zu beobachten ist. In den 1960er und 70er Jahren entstanden in der Türkei starke Studentenbewegungen, die sich u.a. mit der Benachteiligung der Frauen im öffentlichen sowie im privaten Bereich auseinandersetzten. Dies war für die Frau einerseits eine Chance, sich am politischen Geschehen zu beteiligen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken, andererseits waren die Studentenbewegungen selbst entlang patriarchalischer Strukturen organisiert und sahen oft nur die staatsgewollte funktionalistische Emanzipation der Frau vor. Überdies war bis zum Beginn der 1980er Jahre die Gründung einer expliziten Frauenbewegung verboten. Dennoch entstanden eine bis dahin unbekannte Gruppenidentität sowie Kampfgeist, durch welchen letztlich die Legalisierung der Frauenbewegung erreicht werden konnte. Die Etablierung der Frauenorganisationen in den 1980er Jahren brachte eine neue Dynamik und die Entstehung von Instituten mit sich, die sich gezielt mit der Frauenforschung auseinandersetzten und nun auch den „autoritären Charakter des kemalistischen Staatsfeminismus´“ kritisierten. Durch das sukzessive Erstarken der Frauenbewegung konnte zudem die Reformierung einiger Gesetze bezüglich der Gleichstellung beider Geschlechter durchgesetzt werden. So konnte u.a. die Abschaffung der Arbeitserlaubnis durch den Ehemann durchgesetzt werden. Ferner traten Gesetze zum Schutz vor häuslicher Gewalt in Kraft. Im vorwiegend urbanen Raum verlagerten sich die traditionellen Frauentreffen zunehmend in Bars oder Musikclubs und Frauen begannen am Nachtleben teilzunehmen. Die strikte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begann aufzuweichen, nicht zuletzt durch die sich ändernde Erwartungshaltung der städtischen Frau. 19 Die Satirereihe „Der dusselige Avni“ von Oğuz Aral (Bild 7) behandelt anschaulich die Problematik der Rollenverteilung und die Schwierigkeit, den Anforderungen der (türkischen) Gesellschaft, vor dem Hintergrund der sich ausweitenden Urbanisierung, zu entsprechen. Die Karikatur „Cyber-­‐Luder“ von Bahadır Boysal überspitzt dagegen diese Situation, indem sie die Geschlechterrollen raffiniert umkehrt. Sie skizziert die Frau als den Täter und befreit sie somit aus ihrer Opferrolle. Ganz gegensätzlich – und vermutlich eher der Realität entsprechend -­‐ stellt dies die Karikatur von Ramize Erer „Gefährliche Beziehungen“ dar, die die brutale Dominanz des Mannes im Alltag der Frau thematisiert (Bild 8). Gleichzeitig spricht sie die Problematik sowie Diskrepanz von Frauen zwischen dem traditionellen, dörflichen und dem modernen, urbanen Leben an. Ähnlich, doch auf ganz andere Weise, tut dies auch das Werk derselben Karikaturistin, „Das Strickkonzert“ (Bild 9). Es persifliert die herkömmlichen Frauentreffen und stellt sie in einen neuartigen (Konzert-­‐)Kontext, den das Leben in der Metropole mit sich bringt. Die Globalisierung im Allgemeinen und nicht zuletzt auch die EU-­‐Beitrittsverhandlungen mit der Republik Türkei und die damit einhergehenden Angleichungen an EU-­‐Standards führten zu einer Reihe positiver Errungenschaften bezüglich der Gleichstellung der Frau. So wurde im Jahr 2001 das Familienrecht dahingehen reformiert, dass die juristisch festgelegte Rolle des Mannes als Familienoberhaupt aufgehoben wurde. Des Weiteren führte die Abschaffung der Gesetze, welchen zufolge Frauen wegen Ehebruchs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden konnten oder gerichtlich einem Jungfräulichkeitstest unterzogen werden durften, zu einem großen Fortschritt für die sexuelle sowie individuelle Befreiung der Frau. Diese spiegelt sich wie schon erwähnt überwiegend in der westlichen Türkei und betrifft viele Teile des Landes nicht. Der noch immer große Ermessensspielraum der Exekutive – und damit der männlichen Dominanz in den ausführenden Positionen – bremst allerdings den Prozess der Gleichstellung der Frau. So ist die Rate der häuslichen Gewalt heute noch sehr hoch, was unter anderem auch auf das Verhalten des Mannes zurück zu führen ist, der oft nicht bereit ist seine patriarchalische und damit dominierende Rolle aufzugeben. Tatsächlich wird geschätzt, dass etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Frauen in ihrer Familie häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, welche zumeist von den Ehemännern, Brüdern, Vätern oder sogar Söhnen ausgeht. Die häufige Gewalt fungiert immer wieder als Argument, um die Unabhängigkeit der Frau zu unterbinden. Oftmals werden hierbei jedoch religiöse Motive zur Rechtfertigung der Gewalt angeführt. Innerhalb der weiblichen türkischen Bevölkerung existiert bis heute größtenteils kein Bewusstsein für häusliche Gewalt; körperliche Aggression, psychische Misshandlung, sexuelle Nötigung oder jegliches Einschränken und Überwachen werden meist nicht als Gewalt wahrgenommen. Die Straftaten, die „im Namen der Ehre“ begangen werden, sind bis jetzt in großer Zahl vorhanden und bleiben oft strafrechtlich ungeahndet. Wie es tatsächlich um die derzeitige Lage häuslicher Gewalt in der Türkei bestellt ist, bleibt weitgehend ungeklärt, da keine verlässlichen Statistiken erhoben werden können. Häusliche Gewalt gegen Frauen wird trotz der heutigen eindeutigen Rechtslage noch immer nicht ausreichend von staatlichen Stellen verfolgt und sanktioniert. Die Frauenrechte betreffend befindet sich die Türkei in einem Dilemma: Auf der einen Seite die fortschrittliche Frauenbewegung, auf der anderen Seite das Hindernis mangelnder Bildung, welches die Emanzipation und Individualisierung der Frau lediglich auf einen sehr kleinen Kreis beschränkt und an der Masse der Bevölkerung vorbeigeht. 20 In einem Bericht zur Gleichberechtigung der Geschlechter des Weltwirtschaftsforums (WEF) erreichte die Türkei von 134 untersuchten Ländern lediglich Rang 126. Während im Jahr 2008 8.146 Delikte häuslicher Gewalt gemeldet wurden, mussten im Jahr 2011 ganze 32.988 Vergehen registriert werden. Das zivilgesellschaftliche Engagement von Frauen und damit auch seine Bedeutung wachsen jedoch stetig an. Die Frauenorganisationen zählen mittlerweile zum aktivsten Teil der türkischen Zivilgesellschaft. Dies wird insbesondere am 25.11. eines jeden Jahres, des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, sichtbar. Es zeigt sich, dass Frauenrechte nicht allein durch die Einführung von Gesetzen gestärkt werden können; letztere müssen auch angewandt werden. Tatsächliche Gleichheit ist kein Problem staatlicher Politik allein, sondern ein gesamtgesellschaftliches. (SG) Weiterführende Literatur: §
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Amnesty International Österreich. Türkei: Frauen kämpfen gegen Gewalt in der Familie. Wien. 2004. Url: http://www.amnesty.de/umleitung/2004/deu05/158 (Stand: 2.12.13) Jung, Dietrich; „Das politische Leben: Institutionen, Organisationen und politische Kultur“, in: Udo Steinbach (Hg.), Länderbericht Türkei. Bonn. 2012, S. 86-­‐120. Kramer, Heinz, Türkei (Informationen zur politischen Bildung, Heft 313) Bonn. 2012. Kreiser, Klaus; Christoph K. Neumann, Kleine Geschichte der Türkei. Bonn 2006. Seufert, Günter; „Im Spannungsfeld von Laizismus und Islamismus“ in: Udo Steinbach (Hg.), Länderbericht Türkei. Bonn. 2012, S. 207-­‐263. Friedrich-­‐Ebert-­‐Stiftung. Türkei Information Nr.19. Berlin. 2010. Url: http://library.fes.de/pdf-­‐files/bueros/tuerkei/04293/tuerkeiinformation-­‐19.pdf „Sexuelle Gewalt gegen Frauen: Fälle in der Türkei sind dramatisch angestiegen“, Deutsch-­‐Türkische-­‐Nachrichten – Unabhängige Zeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur (2012). Url: http://www.deutsch-­‐tuerkische-­‐
nachrichten.de/2012/11/463158/sexuelle-­‐gewalt-­‐gegen-­‐frauen-­‐faelle-­‐in-­‐der-­‐tuerkei-­‐
sind-­‐dramatisch-­‐angestiegen/ (Stand: 2.12.13) 21 Bild 7: Oğuz Aral Bild 8: Ramize Erer 22 Bild 9: Ramize Erer 23 Diversität -­‐ Minderheiten und Meinungsfreiheit in der Türkei Das Osmanische Reich, das sich in seiner Blütezeit über drei Kontinente hinweg erstreckte, repräsentierte einen heterogenen Vielvölkerstaat, dessen muslimische Bevölkerung in manchen Gebieten des Reiches gar die religiöse Minderheit bildete. Die muslimische Obrigkeit gewährte ihrer „gayri müslim“ also nicht-­‐muslimischen Bevölkerung solange Schutz und das Recht auf Religionsfreiheit wie jene die muslimische Vorherrschaft nicht in Frage stellte und diverse Steuern entrichtete. Die staatlichen Zugeständnisse, die den Angehörigen der Buchreligionen eingeräumt wurden, variierten entsprechend ökonomischer, lokaler und zeitgebundener Konditionen. Einhergehend mit dem unaufhaltsamen Zerfall des Reiches und dem aufkeimenden türkischen Nationalismus Ende des 19./Anfang des 20.Jh. nahm die Homogenisierung der Bevölkerung in der jungtürkischen Politik einen hohen Stellenwert ein. So kam es im Zuge dieser Homogenisierungspolitik im Jahr 1914 u.a. zu Boykottaufrufen, Plünderungen und Vertreibungen der griechischen Bevölkerung im Westen der Türkei und gipfelte in den Deportationen und Massakern an der armenischen Bevölkerung in den darauffolgenden Jahren. Der 1923 vereinbarte türkisch-­‐
griechische Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei weist darüber hinaus auf eine Fortsetzung dieser Politik auch in republikanischer Zeit hin. Die gegenwärtige vergleichsweise geringe ethnische Vielfalt, die einer muslimischen Bevölkerungsmehrheit von 99% bzw. einem türkisch-­‐sunnitischen Anteil von 70-­‐80 % gegenübersteht, und eine entsprechende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stellt die Türkische Republik auch heute noch vor zahllose Herausforderungen. Diverse Vorkommnisse während der republikanischen Zeit wie beispielsweise der sog. „Scheich Said Aufstand“ des Jahres 1925; türkisch initiierte Pogrome in Ostthrakien 1934, die thrakische Juden zur Flucht veranlasste; die 1942 eingeführte „Varlık Vergisi“, eine Kapitalsteuer, die insbesondere Angehörige der Minderheiten in Mitleidenschaft zog oder auch die türkischen Anschläge auf orthodoxe Christen im Jahr 1955 markieren Grenzsteine dieses kontinuierlich ambivalenten Verhältnisses und dessen Umgang in der türkischen Politik. Als repräsentatives Beispiel für den problematischen Umgang mit ethnischen und religiösen Minderheiten und den zusätzlichen staatlichen Verstrickungen mag insbesondere neben der ungelösten Kurdenfrage auch das schwierige Verhältnis zu Armeniern dienen. Stellvertretend hierfür steht der Mord an dem armenisch-­‐türkischen Journalisten Hrant Dink. Der dialogbereite Journalist, der 2006 auf Berufung des berüchtigten und heftig umstrittenen Artikels 301 des türkischen Strafgesetzbuches wegen „Beleidigung des Türkentums“ schuldig gesprochen worden war, wurde am 19.01.2007 vor der Redaktion seiner armenisch-­‐türkischen Wochenzeitung Agos in Istanbul von dem 17-­‐Jährigen ultranationalistischen Ogün Samast erschossen. Nicht nur Karikaturisten der Agos-­‐Zeitung, wie beispielsweise Ohannes Şaşkal in der Ausgabe vom 24.10.2007, sondern auch Emre Ulaş der linksliberalen Tageszeitung Radikal und Ercan Akyol der liberalen Tageszeitung Milliyet widmeten sich diesem Thema in ihren Karikaturen und prangerten die Rolle verschiedener staatlicher Akteure an (Bild 10/11). Ihre Kritik bezieht sich insbesondere auf jene, die sich durch die Planung des Mordes und der nachlässigen Verfolgung der Drahtzieher mitverantwortlich gemacht haben und deren Mitwirken von Seiten des Staates verschleiert wird. Die diesbezüglich gefällten Gerichtsurteile zeugen von einem nach wie vor anhaltenden staatlichen Desinteresse an der vollständigen Klärung des Mordfalls Dink und erteilen dem öffentlichen Ruf nach Gerechtigkeit eine klare Absage. 24 Kritische Stimmen von türkischen Journalisten und Schriftstellern, die sich insbesondere für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei einsetzen, begeben sich gleichzeitig regelmäßig in die Gefahr einer Anklage ausgesetzt zu sein. Ein weiterer Name, der in diesem Zusammenhang in der türkischen Presse regelmäßig für sehr kontroverse Schlagzeilen sorgt ist der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk. Mit der Karikatur, die im Oktober 2006 in Folge der damals bevorstehenden Auszeichnung Pamuks für den Literaturnobelpreis in der Milliyet erschienen war, intendiert Haslet Soyöz die Stimmung dieser gegensätzlichen Meinungen einzufangen (Bild 12). Auch Orhan Pamuk wurde aufgrund seiner Äußerungen zur Kurden-­‐ und Armenierfrage nach Artikel 301 im Jahr 2005 angeklagt, wobei diese 2006 jedoch wieder fallen gelassen wurde. Auf der Weltrangliste der Rede-­‐ und Pressefreiheit belegt die Republik Türkei seit Jahren einen der letzten Plätze und verteidigte ihren Rang abermals erfolgreich wie jüngst die Reaktion bzw. Zensur der Regierung auf die Berichterstattung der Gezi-­‐Park-­‐Ereignisse belegen. Zum Erbe der jungtürkischen Homogenisierungspolitik sowie des darauffolgenden kemalistischen Nationalismus zählt nach wie vor die ungebrochene Angst innerhalb der Bevölkerung vor divergierenden inneren und äußeren Feinden der Türkischen Republik. Nicht nur Politiker wissen sich dieser Ängste zu bedienen, ihre Ernsthaftigkeit wird überdies auch durch zahllose Bombenanschlägen in der Türkei, für die diverse extremistische Gruppen verantwortlich gemacht werden, vorangetrieben. Die Problematik dieses zusätzlichen Sicherheitsrisikos greift auch İzel Rozental in seiner Karikatur vom November 2003 auf (vgl. Bild 6). Der Karikaturist mit aschkenasischen Wurzeln, der für die jüdische Wochenzeitung „Şalom“ arbeitet, thematisiert in „ Treffen der Religionen in Istanbul“ die Anschläge, die im November 2003 eine türkische Al-­‐Quaida-­‐Zelle auf zwei Synagogen, das britische Konsulat und die HSBC-­‐Bank in Istanbul verübt worden war und wobei insgesamt 60 Menschen ums Leben gekommen waren. Jene unzählige Reihe von Anschlägen wird vorzugsweise neben der Metropole Istanbul auch überwiegend in beliebten Touristenorten und an den Grenzgebieten im Südosten der Türkei ausgeübt. Im Zusammenhang der Bekämpfung jener inneren und äußeren Feinde sei auch auf die lange Zeit als unantastbar geltende Stellung des türkischen Militärs verwiesen, welches sich seit der Republiksgründung als Hüter der kemalistischen Prinzipien wahrnimmt. Auch diese besondere Stellung des türkischen Militärs greift İzel Rozental in seinen Karikaturen auf. In der türkisch-­‐judeo-­‐spanischen Zeitung Şalom wurde im März 1997 seine Karikatur „Yıldızlar“ welches dem türkischen Wort für „Sterne“ entspricht, veröffentlicht (Bild 13). Er karikiert darin den abermaligen undemokratischen Eingriff in die Politik, indem er dem Militär so viel Macht zuspricht, dass sich jenem selbst die Sterne zu unterwerfen scheinen. Der 1999 durch die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der EU vorangetriebene Demokratisierungsprozess und der neue politische Kurs der seit 2002 regierenden AKP führen zu einem stetigen Machtverlust des türkischen Militärs und einer oftmals umstrittenen Annäherung an die in der Türkei lebenden Minderheiten. (CS) 25 Weiterführende Literatur: §
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Akҫam, Taner: A Shameful Act. New York 2006. Bayar, Yeşim: “In pursuit of homogeneity: the Lausanne Conference, minorities and the Turkish nation”, in: Nationalities Papers: The Journal of Nationalism and Ethnicity (2013), S. 1-­‐18. Guttstadt, Corry: Die Türkei, die Juden und der Holocaust. Berlin, Hamburg 2008. Lewis, Bernard und Benjamin Braude (Hrsg.): Christians and Jews in the Ottoman Empire. The Functioning of a Plural Society. New York, London 1982. Soner, Ali B.: “The Justice and Development Party’s policies towards non-­‐Muslim minorities in Turkey”, in: Journal of Balkan and Near Eastern Studies 12, Nr. 1 (2010), S. 23-­‐40. Şener, Nedim: “The Dink Murder and State Lies”, Online im Internet: URL: http://www.tr.boell.org/web/51-­‐1402.html [Stand 2013-­‐11-­‐29] Üngör, Uğur Ümit, The Making of Modern Turkey. Nation and State in Eastern Anatolia, 1913-­‐1950. Oxford 2012 (paper back). Bild 10: Ohannes Şaşkal 26 Bild 11: Ercan Akyol Bild 12: Haslet Soyöz 27 Bild 13: İzel Rozental 28 Urbanisierung Während sich die offizielle Einwohnerzahl Istanbuls auf insgesamt 14 Mio. beläuft, gehen Schätzungen von weiteren 20-­‐30% unerfassten Einwohnern aus. Die stetig wachsende Bevölkerungszahl Istanbuls – 400.000 Migranten jährlich – lässt sich auf die immense Binnenmigration zurückführen und fördert den unstrukturierten Charakter der Stadt. Die Bevölkerung Istanbuls beträgt gut ein fünftel der türkischen Gesamtbevölkerung. Um auf die zuwanderungsbedingte städtische Veränderung der Stadt aufmerksam zu machen, stellt der Karikaturist Bahadır Baruter, mit dem Ziel auf die dichte Besiedlung der Stadt hinzuweisen, in der Karikatur „Boulevard der Unabhängigkeit – Beyoǧlu“ eine überspitzte Darstellung der Menschenmassen dar, die überdies die verkehrsberuhigte Amüsiermeile der Metropole in einen reißenden Strom verwandelt (Bild 14). Als eine Ursache für den immensen Anstieg der Population Istanbuls lässt sich unter anderem der seit den 1950ern unablässige Zustrom an Zuwanderern aus den türkischen Provinzregionen benennen. Und noch heute reizt Istanbul die Provinzler aus allen Regionen des Landes, indem sie sie mit der Aussicht auf eine Verbesserung ihres Lebensstandards lockt; aktuell weisen 63% der Einwohner der Stadt einen Zuwanderungshintergrund aus den türkischen Provinzen auf. Als einen substanziellen Grund für die Zuwanderungswelle seit den 1950ern lässt sich die wirtschaftliche Liberalisierung des Landes bestimmen, denn durch diese blühten die türkischen Kleinbetriebe auf und das Angebot an Beschäftigungsmöglichkeiten stieg an. Erwartungsgemäß implizierte diese Zuwanderung eine städtische Transformation, die mitunter als eine Form der Provinzialisierung interpretiert werden kann, denn der Bedarf an günstigem Wohnraum überstieg bei weitem das Angebot und aufgrund dieses Mangels errichteten die Zuwanderer in solidarischer Zusammenarbeit bescheidene Bauten, die man „gecekondu“ (dt.: „über Nacht gebaut“) nennt und die entfernt ihren Dorfhäusern ähnelten. Infolgedessen entstanden eine Vielzahl an „gecekondu“-­‐Siedlungen in den peripheren Gebieten Istanbuls. Die Regierung tolerierte diese Form der Stadtentwicklung, um von der kostenlosen Wohnungsbaupolitik der Zuwanderer Nutzen zu ziehen. Ab 1985 trat ein neues Baurecht in Kraft, das die gesamte Bauplanungshoheit in die Hände der einzelnen Bezirke Istanbuls legte. Durch die Erstellung von Revisionsplänen und Planänderungen war es nun möglich, vorhandene -­‐ oft illegale -­‐ Bebauungen durch den Bürgermeister nachträglich offiziell akzeptieren und registrieren zu lassen. Das Resultat dieser Gesetzgebung war jedoch unter anderem der massenhafte Abriss von Siedlungen, die mitunter eine Einwohnerzahl von 10.000 Personen aufwiesen. Gemäß der Verordnung der Regierung übertrug man den zwangsmäßigen Abriss dieser „gecekondus“ im Fernsehen, um neue Zuwanderer vor dem Bau solcher abzuschrecken. Die Nachrichten zeigten verzweifelte Menschen, die mit allen möglichen Mitteln versuchten den Abriss zu unterbinden. Einen solchen Moment spiegelt Latif Demirci in seiner Karikatur (ohne Titel) wider (Bild 15). Ein Mann steht vor seinem „gecekondu“ mit den einfachsten Mitteln, dem Besteck, in den Händen und versucht sich dem Abriss zu widersetzen während seine Familie Schutz hinter dem Haus sucht. Indes hatte auch die zunehmende Globalisierung die Veränderung der städtebaulichen Entwicklung Istanbuls zur Folge. In den peripheren Gebieten entstehen seit den 1990ern Satellitenstädte modernen Zuschnitts, die teilweise als abgeschottete luxuriöse Wohnviertel für die aufstrebende Mittelschicht dienen sollen. Währenddessen verfallen die historischen Stadtkerne oder werden teilweise sogar zum Opfer von Grundstücksspekulationen. 29 Besondere Bedeutung im Stadtkern Istanbuls hat hierbei die sogenannte Parkplatzmafia, deren illegale Aktivitäten in Istanbul der Karikaturist Güneri Içoğlu durch seine Figur „Herr Yekta“, dem Istanbuler Kavalier alter Schule, behandelt. Die Karikatur zeigt Herrn Yekta, der wieder einmal mit ansehen muss, wie die historischen Bauten seines geliebten Istanbuls zum Opfer eines Feuers werden. Ihm ist bewusst, dass dieses nicht ein zufällig entflammtes Feuer ist, sondern die Mafia die Brandstifter sind. Da in Istanbul selten Tiefgaragen zu finden sind und wahrscheinlich jegliche Ausschachtung in einer archäologischen Ausgrabung enden würde, brennt hin und wieder einmal ein Gebäude, das auf einem profitablen Grundstück steht. Auf diesen Grundstücken lässt die Mafia Stellflächen errichten, die sie gegen Gebühr zur Verfügung stellt und somit Gewinne erzielt (Bild 16). Eine andere Form der Nutzung boten die dank den Abrissen just freigewordenen Flächen den Modernisierungsmaßnahmen, die mit dem Bauboom von Hochhäusern in den 1990ern begannen und im Jahre 2010 ihren Höhepunkt erreichten. Moderne Geschäftsviertel reihten sich dicht an dicht an Wohnblockbebauungen ohne jegliche Einhaltung von Mindestabständen. Schon im Jahre 2005 nahm der Karikaturist Tan Oral durch seine Karikatur „Wolkenkratzer“ diese Thematik auf und machte auf die stetige Veränderung des Stadtbildes aufmerksam (Bild 17). Ein Hochhaus das Bäume und Häuser verwüstet und über eine imposante Höhe verfügt. Wo früher die Minarette der Moscheen aus weitester Entfernung wahrnehmbar waren, konkurrieren sie heute chancenlos mit modernen Hochhäusern. Die mangelnde Stadtplanung an dieser Stelle erzeugte ungewollt komische Situationen, wie etwa die Karikatur Tan Orals durch den direkten Vergleich zwischen einem Apartment und einem Minarett darstellt (Bild 18). Die Entwicklung hin zur immer größeren, imposanteren, moderneren, teureren Weltstadt zieht auch negative Effekte der Globalisierung nach sich. Latif Demirci’s Karikatur „Türkei: Ich habe Hunger“ versucht das derzeitige Problem der Ungleichverteilung zwischen Reichtum und Armut darzustellen und auf die soziale Gleichgültigkeit der wohl situierten Gesellschaftsschichten hinzuweisen (Bild 19). Diese Entwicklung bettet er ein in die Zunahme des globalisierten Konsumverhaltens der urbanen Einwohner, die moderne Café-­‐Ketten den Kaffee-­‐ und Teehäusern, Boutiquen dem Bazar vorziehen. Der moderne, westliche Sportwagen vor dem zunehmend dem Verfall preisgegebenen Altbau der Innenstadt steht dabei sinnbildlich für das Aufeinanderprallen des Modernen und des Historischen. Während Istanbul als Inbegriff für den Schmelztiegel zwischen Ost und West, Orient und Okzident steht, verkörpert sie gleichzeitig auch augenscheinliche Gegensätze wie Arm und Reich, Provinz und Metropole, Moderne und Tradition. In anderen Worten: Istanbul ist eine Stadt voller Gegensätze. (EG) Weiterführende Literatur: §
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Esen, Orhan, Stephan Lanz (Hrsg.), Self-­‐Service City: Istanbul. Berlin 2005. Unbehaun, Horst, „Urbanisierung und Strukturwandel der türkischen Gesellschaft“, in: Steinbach, Udo (Hg.), Länderbericht Türkei. Bonn 2012, S. 264-­‐286. Yılmaz, Evrim, „Urban transformation policies and the irrepressible rise of TOKİ“, Perspectives. Political analysis and commentary from Turkey, Nr.3 (2012), S.40-­‐43. Vgl. http://www.tr.boell.org/downloads /EVRIM_YILMAZ_eng.pdf. [04.12.13] 30 Bild 14: Bahadır Baruter Bild 15: Latif Demirci 31 Bild 16/17: Tan Oral Bild 18: Latif Dermirci 32 Gezi-­‐Park Proteste Aus einer anfänglich harmlosen Demonstration von Umweltaktivisten gegen den geplanten Abriss (und die Bebauung mit einer retro-­‐osmanischen Kaserne, die u.a. ein großes Einkaufszentrum beherbergen sollte) einer der wenigen Parkanlagen İstanbuls nahe des Taksim-­‐Platzes, wurde, nachdem die Polizei mit massiver Gewalt und dem Einsatz von Gas gegen die Demonstranten vorgegangen war, in kürzester Zeit ein landesweiter Protest. Die Proteste wurden von Studierenden angeführt, fanden aber bald die Unterstützung breiter Schichten der Bevölkerung. Der Unmut der Demonstranten richtete sich nicht nur gegen die in den letzten Jahren massiv vorangetriebene Privatisierung und Kommerzialisierung (Shopping Malls, Hotels) des öffentlichen Raums, sondern vor allem gegen die zunehmnend als autoritär empfundene Regierungspolitik der AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi, Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung). Insbesondere die moralisierende Rhetorik und zunehmende „Regulierungswut“ für die Ministerpräsident Recep Tayip Erdoğan steht und womit er immer stärker Einfluss auf das öffentliche Leben sowie die Privatsphäre ausübt, erregt zunehmend den Unmut nicht nur „säkularer“ Bevölkerungsteile. So plädierte er an junge Frauen mindestens drei Kinder zu gebären, forderte Abtreibungen gesetzlich zu verbieten. Die gesetzliche Einschränkung des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit wurde mit religiös konnotierter moralischer Argumentation begleitet. Und jüngst forderte er die Geschlechtertrennung in Studentenwohnheimen und traf – auch aus islamisch konservativen Kreisen – auf wenig Verständnis. Seine „Demokratie der Mehrheit“, verstanden als Auftrag die Normen der eigenen (Mehrheits-­‐) Gruppe anderen aufzuzwingen, der harsche und feindselige Ton gegenüber der pluralistischen Protestbewegung (marjinal, çapulcu) wurden nicht nur im Land, sondern weltweit mit Sorge verfolgt. Die Proteste begannen offiziell am 28. Mai 2013 im Gezi-­‐Park, wo am Tag zuvor drei Meter einer Mauer abgerissen und fünf Bäume entwurzelt wurden. Daraufhin stellten sich Aktivisten der Taksim Dayanışma Bileşenleri Platformu (Plattform der Freunde des Taksim-­‐
Platzes) vor die Bagger und verhinderten so weitere Umbaumaßnahmen der Baufirma. Am selben Abend versammelten sich ungefähr 50 Menschen und schlugen ihre Zelte im Gezi-­‐
Park auf. Am folgenden Tag wurden die friedlichen Protestierenden mit Tränengas in ihre Schranken gewiesen. Kurz zuvor hatte der Abgeordnete der BDP (Barış ve Demokrasi Partisi/ Partei des Friedens und der Demokratie) Sırrı Süreyya Önder das Vorhaben der Regierung gestoppt, indem er die Bauerlaubnis der Behörden für diesen Abriss einforderte. In der Folge setzte die Polizei massiv Gewalt ein. Die Öffentlichkeit in der gesamten Türkei, wie auch im Ausland, war über den massiven Polizeieinsatz schockiert. In Folge versammelten sich immer mehr Menschen im Gezi-­‐Park und demonstrierten gegen den Abriss. Somit wurde die „occupy Gezi“-­‐Bewegung geboren und die Verbreitung anhand sozialer Netzwerke nahm ihren Lauf. Innerhalb weniger Tage mobilisierten sich tausende Menschen überall im Land. Am Abend des 31. Mai 2013 wurden geschätzte 100.000 Personen im Bezirk Beyoğlu gezählt, die gegen das Bauvorhaben protestierten. Im Zuge dieser Demonstrationen wurden unzählige Protestierende verletzt und einige kamen sogar ums Leben (vgl. die Sondernummer der Satirezeitschrift Leman, çizgili gezi atlası, 2013-­‐11). 33 Erdoğan rief die Bevölkerung auf, die Demonstrationen zu beenden. Er sah sich selber dazu aufgefordert den Gezi-­‐Park und den Taksim-­‐Platz von den Demonstranten zu „säubern“ und scheute sich auch nicht diesen Gedanken offen zu legen, wie bei einer öffentlichen Veranstaltung der AKP am 16. Juni 2013. Die Legitimation erhielt er seiner Ansicht nach von der Mehrheit der Bevölkerung. Des Weiteren gab er bekannt, dass alle Personen, die aufgrund der Proteste den Gezi-­‐Park oder Taksim-­‐Platz betreten würden, wie Terroristen behandelt werden müssten. Dies schreckte jedoch die Bevölkerung nicht ab und die Protestwelle setzte sich fort bis der Umbau des Gezi-­‐Parks gerichtlich verboten wurde. Somit musste die AKP den Umbau stoppen. Unter den Protestierenden befanden sich viele prominente Persönlichkeiten: Politiker, Journalisten, Unterstützende aus dem Ausland. Aus einer aktuellen Meinungsumfrage geht jedoch hervor, dass der Großteil der Protestierenden aus urbanen Jugendlichen bestand, der so genannten 90er Generation, die überwiegend zum ersten Mal an einer Demonstration teilnahmen. Dieser zufolge besitzen 56 Prozent der Protestierenden auf dem Gezi-­‐Park einen universitären Abschluss, ein Drittel sind Studenten und 50 Prozent berufstätig. 49 Prozent der Befragten haben sich aufgrund der Polizeigewalt entschieden an den Protestaktionen teilzunehmen, für 14 Prozent waren Erdoğans Äußerungen ausschlaggebend. Sie fordern mehr Freiheit (34 Prozent), die Achtung der Menschenrechte (18 Prozent), mehr Demokratie (acht Prozent) und ein kleiner Teil den Rücktritt der Regierung (neun Prozent). Außerdem nahmen die Eltern der jungen Protestierenden sowie rivalisierende Ultra-­‐Fan-­‐
Gruppen (der drei Istanbuler Fußballvereine Beşiktaş, Fenerbahçe, Galatasaray), die wegen der Demonstrationen ihre Differenzen bei Seite legten, an den Demonstrationen teil. So wurde aus einer einfachen Demonstration gegen den Umbau eines Stadtparks eine zivilgesellschaftliche Bewegung. Auch wenn sich die Protestwelle seit dem Sommer abgeschwächt hat, gehen die Demonstrationen weiter, und sie hat überdies neue Formen des gewaltlosen Protests generiert. Die GEZI-­‐ Proteste waren mit einer „mobilisatorischen Iconisierung“ (Sabine Küper-­‐Büsch, SKB) verbunden. Im Zuge der Bewegung entstandene Iconen wie die „Frau in Rot“ oder „der stehende Mann“ avancierten auf Medien-­‐Plattformen zu „Helden der Wirklichkeit“, die in auf vielfältigste Art und Weise verbreitet wurden und so zu Symbolen der Bewegung wurden. Dabei übernahm die zeichnerische Satire ebenfalls eine mobilisierende Rolle. In der Ausstellung wird diese „satirische Mobilisierung“ anhand einiger Beispiele aus den aktuellsten Nummern türkischer Satirezeitschriften, wie Penguen, Gırgır und Leman, gezeigt. Diese stellen den zeitlichen Endpunkt der Ausstellung dar. Diese jüngsten Beispiele, aber auch die aus spätosmanischer Zeit gezeigten Karikaturen verdeutlichen die große Bedeutung, die der zeichnerischen Satire innerhalb der politischen Geschichte der Türkei zukommt. Und sicherlich wird die zeichnerische Satire auch in Zukunft soziale, politische und gesamtgesellschaftliche Entwicklungen nicht nur „aufspießen“, sondern weiterhin als „Avantgarde politischer Innovation“ (SKB) fungieren. (GS) 34 Weiterführende Literatur: §
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Perspectives. Political analysis and commentary from Turkey, Nr. 15 (2013): Gezi Park. A New History is Beginning. http://www.tr.boell.org/downloads/perspectives_5_toplu_eng.pdf Göle, Nilüfer, „Gezi – Anatomy of a Public Square Movement“, Insight Turkey, Jg. 15, Nr. 3 (2013), S. 7-­‐14. http://file.insightturkey.com/Files/Pdf/insight_turkey_volume_15_no_3_2013_gole.
pdf Penguen Juni 2013 Gırgır Juni 2013 35 Karikaturistinnen, Karikaturisten Ercan Akyol (Skopje [Üsküp] 1953) Biographie: Grafik-­‐Studium an der Marmara-­‐Universität Istanbul. Seit 1982 arbeitet Akyol für Tageszeitungen und ist seit 1988 Zeichner der Tageszeitung Milliyet. Oguz Aral (Silivri 1936 -­‐ Bodrum 2004) Biographie: Aral verlässt die Kunstakademie im dritten Jahr und zeichnet seit den 1950ern für verschiedene Zeitungen. Er wird Chefredakteur der Satirezeitschrift Gırgır und bildet dort in den Siebziger-­‐ und Achtzigerjahren eine neue Generation von Zeichnern aus. Semih Balcıoğlu (Istanbul 1928 -­‐ Istanbul 2006) Biographie: Grafikstudium an der Staatlichen Kunstakademie, (1952) Er zeichnet für Publikationen wie Akbaba, Karikatür, Taş, Akşam und Hürriyet. Mitbegründer des Vereins der Karikaturisten (1969). Bahadır Baruter (Ankara 1963) Biographie: Drei Tage Studium der Betriebswirtschaft an der Universität Istanbul, vierzehn Jahre Malerei an der Istanbuler Kunstakademie Mimar Sinan. Baruter prägt innovative Satirehefte wie LeManyak und Lombak. Mitbegründer und Redakteur der Zeitschrift Penguen. Gülay Batur (Balıkesir-­‐Manyas 1960) Biographie: Studium an der Kunsthochschule, Abteilung Keramik. 1978 erste Arbeiten für die Zeitschrift Mikrop. Später zeichnet sie für Gırgır, Hıbır und H.B.R. Maymun. Bahadır Boysal (Adana/Kadrlı 1976) Biographie: Studium der Malerei, Kunstakademie Mimar Sinan (M.A. 1998). Boysal beginnt mit siebzehn Jahren bei LeMan, von 2000 bis 2008 leitete er die innovative Jugend-­‐
Satirezeitschrift Atom der Leman-­‐Gruppe. Heute ist er Redakteur bei Leman. Mehmet Çağçağ (Şebinkarahisar 1959) Biographie: Studium der Malerei, Kunstakademie Mimar Sinan, Istanbul (1984). Ab 1980 Zeichner bei Gırgır. 1986 Mitbegründer von Liman. 1991 gründet er mit anderen Zeichnern LeMan. Latif Demirci (Istanbul 1961) Biographie: Demircis erste Zeichnung erschien 1975 bei Gırgır. Er gehörte zu den Gründern der 1989 erscheinenden Zeitschrift Hıbır. Heute zeichnet er Cartoon-­‐Serien für die Tageszeitung Hürriyet. 36 Ramize Erer (Istanbul 1963) Biographie: Malereistudium, Istanbuler Kunstakademie Mimar Sinan. Eine der wenigen Zeichnerinnen bei Gırgır. Als Altmeister Oğuz Aral Anfang der 1980er rügt, Erer sei für eine gute Karikaturistin zu kitschig veranlagt, zeichnet sie trotzig ein masturbierendes Mädchen. Die Figur, "das böse Mädchen", ist geboren und Ramize Erer bekommt ihren ersten, eigenen Zeichentisch in der Redaktion. Eflatun Nuri Erkoç (Istanbu 1927-­‐ Istanbul 2008) Biographie: Nach ein paar Semestern an der Kunstakademie beginnt Erko 1942 für Akbaba zu zeichnen. In den 1950ern entwickelt er innerhalb der 1950er-­‐Generation seine unverwechselbare poetisch-­‐melancholische Linie. Seit den 1990er bis zu seinem Tode am 3. Mai 2008 zeichnet er für die Zeitschrift LeMan. Ali Ulvi Ersoy (Istanbul 1924 -­‐ Istanbul 1998) Biographie: Studium der Malerei, Pädagogische Fakultät der Gazi Universität Ankara. Seit 1950 Zeichner bei der Tageszeitung Cumhuriyet im Stil der 1950er-­‐Generation. Zwei Jahre Plakatmaler bei dem amerikanischen Filmproduzenten Twenty Century Fox; Zeichentrickfilmautor. Ferit Öngören (Diyarbakır 1932) Biographie: Jurastudium an der Universität Istanbul (1958), danach Anwaltstätigkeit. In den 1960ern zeichnet Öngören u.a. für Akbaba. Mitbegründer des Vereins der Karikaturisten (1969) und Autor von Fachliteratur über die türkische Satire. Tan Oral (Merzifon, 1937) Biographie: Architekturstudium Kunstakademie Mimar Sinan, Istanbul (1963). Hochschul-­‐
dozent für Zeichentrickfilmkunst. Zeichner bei Tageszeitungen, darunter vor allem Cumhuriyet, und der Satire-­‐ und Kulturzeitschrift Güldiken. Yiğit Özgür (lstanbuI 1977) Biographie: Grafikstudium an der Kunstakademie der Hacetepe Universität in Ankara (1998). 2002-­‐2007 Zeichner bei Penguen, 2007 Mitbegründer von Uykusuz. İzel Rozental (Istanbul 1951) Biographie: Seit 1991 zeichnet Izel Rozental, Sohn einer askenasischen Familie, Karikaturen für die Wochenzeitschrift Şalom. Er wandelt eine Synagoge in das Kunstzentrum Schneidertempel um, das er bis heute leitet. Seit 2004 schreibt Rozental Leitartikel für die Kultur-­‐ und Satirezeitschrift Güldiken. 37 Ohannes Şaşkal (Istanbul 1959) Biographie: 1982 Abschluss an der pharmazeutischen Fakultät der Universität Istanbul. 1977 fing er an Karikaturen zu zeichnen. Seine erste Karikatur wurde 1978 in der Tageszeitung Cumhuriyet publiziert. Der armenisch-­‐türkische Zeichner begann 1980/81 für die auf Armenisch erscheinende Marmara-­‐Zeitung zu zeichnen. Seit 2007 zeichnet Şaşkal für die auf Armenisch und Türkisch erscheinende Wochenzeitung Agos. Turhan Selçuk (Milas 1922 -­‐ Istanbul 2010) Biographie: Studien der Kunstgeschichte, Universität Istanbul. Zentraler Zeichner und Theoretiker der 1950er-­‐ Generation. Herausgeber mehrerer Satirezeitschriften Mitbegründer des Vereins der Karikaturisten (1969). Selçuk publiziert regelmäßig in der Tageszeitung Cumhuriyet. Haslet Soyöz (Burdur 1955) Biographie: Haslet Soyöz beendete sein Kunststudium an der Gazi Universität in Ankara. Nach einer zweijährigen Grafikausbildung an der Kunstakademie in Istanbul beginnt Haslet Soyöz für verschiedene große Tageszeitungen zu zeichnen. Seit 1982 ist er Zeichner der Tageszeitung Milliyet. Emre Ulaş (Kırıkkale 1962) Biographie: Grafikstudium an der Marmara Universität Istanbul. Seit 1982 Karikaturist für Tageszeitungen und Produzent von Zeichentrickfilmen. Von 2000 bis 2008 zeichnete er für die Tageszeitung Radikal die politische Tageskolumne, Die Neusteinzeit. Angaben entnommen aus: Küper-­‐Büsch, Sabine, Nigar Rona, Die Nase des Sultans. Karikaturen aus der Türkei. Padişahın Burnu. Türkiye’den Karikatürler. Istanbul 2008. 38 Karikaturen Politischer Islam und Säkularismus in der Türkei Turhan Selçuk prägt die Satire der reinen Linien. Abstraktion, schwarzer Humor und der fast gänzliche Verzicht auf einen Kommentar zu einer Zeichnung kennzeichnen seinen Stil. Eines seiner zentralen Themen ist die Kritik an der Bigotterie der Verschleierung. Ali Ulvi Ersoy Ohne Titel Tageszeitung Cumhuriyet, 1976 Süleyman Demirel ist von 1963 bis 1980 Vorsitzender der konservativen "Gerechtigkeits Partei" (AP), von 1987 bis 1993 Chef der "Partei des rechten Weges" (DYP). Er ist viermal Ministerpräsident und von 1993 bis 2000 Staatspräsident. Seit den 1960ern wird die Anzahl der neu gebauten Moscheen als Maß für die Islamisierung angesehen, und die konservativen Parteien beschuldigt, mit der Religion Politik zu machen. Emre Ulaş Die Neusteinzeit Tageszeitung Radikal 03.02.2007 Yiğit Özgür Ohne Titel Zeitschrift Penguen, 2007 Der Kern der verschleierten Matroschka ist ein fundarnentalistischer Zwerg. Eine Anspielung nicht nur auf patriarchalische Zwänge, der Witz zielt auch auf die schwindende Bedeutung dieser konservativsten Verschleierungsform in der Türkei. İzel Rozental Treffen der Religionen in Istanbul Wochenzeitung Şalom, 20.11.2003 Am 15. November und 20. November 2003 verübt eine türkische Zelle der AI-­‐Qaida mehrere Bombenanschläge in Istanbul. Ziele der Anschläge, bei denen 60 Menschen sterben, sind zwei Synagogen, das britische Konsulat und die Filiale der britischen HSBC-­‐Bank. 39 Die Rolle der Frau in der Türkei Oğuz Aral -­‐ Der dusselige Avni Zeitschrift Gırgır, 1980er Die Menschen in den ärmlichen Vierteln der Städte sind die Anti-­‐Helden aus der Kultserie Der dusselige Avni. Ein bei Gırgır arbeitender Laufbursche soll Aral zur Schöpfung des dusseligen Bengels Avni inspiriert haben . Ramize Erer Album Die Ehe, 2004 Die Sicht auf das urbane Liebesleben transportiert globale Probleme von Frauen in einem reizvollen Ambiente der Metropole Istanbul. Ramize Erer Das Strickkonzert Aus dem Besitz der Zeichnerin, 1987 In den 1980ern verändert sich das Istanbuler Nachtleben. Neben den schwindenden Kaffeehäusern und Teegärten boomen Cafés, Bars und Musikclubs. Die Zeichnung persifliert die traditionellen Frauentreffen die normalerweise zuhause stattfinden. Hier werden sie in einen Konzertkontext gestellt. Diversität -­‐ Minderheiten und Meinungsfreiheit in der Türkei Ohannes Şaşkal Eliminierung Wochenzeitung Agos, 24.10.2007 Am 19.01.2007 wird der Chefredakteur der türkisch-­‐armenischen Wochenzeitung Agos, Hrant Dink, auf der Straße vor der Redaktion von einem ultranationalistischen Jugendlichen erschossen. Hrant Dink ist 2006 in einem Skandalurteil wegen "Beleidigung des Türkentums" schuldig gesprochen worden, obwohl er sich stets für Toleranz und Dialog einsetzte. Ercan Akyol Spurensuche Tageszeitung Milliyet, 20.01.2008 Der am 19.01.2007 erschossene armenisch-­‐türkische Journalist Hrant Dink ist mehrfach bedroht worden. Kurz nach seiner Ermordung posieren Polizisten auf der Polizeiwache in Samsun an der Schwarzmeerküste mit dem Tatverdächtigen vor einer türkischen Fahne. Im Laufe der Ermittlungen wird deutlich, dass es Verbindungen zwischen der Polizei und der 40 ultrarechten Szene gibt. Die Polizei wusste von den Attentatsplänen. Sie unternahm nichts. Die Ermittlungen innerhalb des Sicherheitsapparates versanden, der Prozess gegen den tatverdächtigen Neunzehnjährigen und sein Umfeld dauert an. Erst 2012 ergeht ein (Skandal-­‐)Urteil, in dem nur einer der 19 Angeklagten verurteilt wird. Die Anwältin Fethiye Çetin bezeichnet dieses Urteil als Witz und sieht darin die Fortsetzung der Tradition „der Vertuschung politischer Morde“ seitens des Staates. Seit September 2013 wird der Fall in einem neuen Verfahren verhandelt. Haslet Soyöz Nobelpreis 2006 Tageszeitung Milliyet, 14.10.2006 "Das ist sehr gut!" -­‐"Das ist ganz schlecht."-­‐"Das ist gut!"-­‐"Nein, schlecht." Der Schriftsteller Orhan Pamuk wird 2005 aufgrund von Äußerungen zur Kurden-­‐ und Armenier-­‐Frage wegen "Beleidigung des Türkentums" angeklagt, das Verfahren wird am 22.01 .2006 eingestellt. Bis heute ist der Nobelpreisträger für Literatur 2006 Zielscheibe von Schmähungen und Drohungen vor allem ultranationalistischer Kreise. İzel Rozental Sterne Wochenzeitung Şalom, 02 .03.1997 Die Karikatur entsteht Ende der Neunzigerjahre als der damals vom Militär dominierte "Nationale Sicherheitsrat" den islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan veranlasst zurückzutreten. Viele Intellektuelle werten das als Eingriff in die Demokratie. Urbanisierung Bahadır Baruter Boulvard der Unabhängigkeit -­‐ Beyoğlu Beyoğlu Ausstellung, Aksanat -­‐ Galerie. Istanbul 2004 In den 1870ern wird die Grand rue de Pera gebaut. Im Viertel Pera leben vor allem die religiösen Minderheiten und Levantiner. Die Straße wird zur eleganten Flaniermeile und zum Zentrum europäisch geprägter kultureller Einrichtungen und Gastronomie. Nach der Republikgründung wird sie in "Istiklal-­‐Caddesi", "Boulvard der Unabhängigkeit", unbenannt. Heute ist die Straße das verkehrsberuhigte Zentrum des Amüsierviertels Beyoğlu und eine quirlige, chaotische Drängelstrecke. Latif Demirci Ohne Titel Aus dem Besitz des Zeichners, 1987 Abriss eines "gecekondu". Gecekondu bedeutet "über Nacht gebaut". Vor allem in den 41 1980ern bauen Migranten an den Stadträndern der Metropolen Behausungen, die den Dorfhäusern entfernt ähneln. Im Fernsehen werden zur Abschreckung immer wieder dramatische Abrissaktionen gesendet. Sie zeigen verzweifelte Menschen, die gegen Bulldozer um ihre Häuser kämpfen. Güneri Içoğlu Der feinfühlige Herr Yekta Serie in der Zeitschrift LeMan, aus Yekta Album, 2008 Yekta ist ein Istanbuler Kavalier alter Schule. Als Musikgelehrter lebt er in einer der ehemals prachtvollen Holzvillen seiner Heimatstadt, spielt meisterhaft die vor allem für die Sufi-­‐Musik zentrale Rohrflöte Ney und das Tamburin. In Anzug und Fliege wandelt Yekta stets heiter durch die Metropole, deren rapiden Wandel er nicht zur Kenntnis nimmt. Längst bitterlich verarmt, lebt er von den Zuwendungen seiner Nachbarn und des kleinen Stadtteilladens selbstvergessen in seinen alten Istanbuler Melodien. Nur sein Freund Jean Pierre, ein französischer, leicht versnobter Musikwissenschaftler, versucht immer wieder Yekta nach Paris zu locken. Dort soll er an der Sorbonne lehren und endlich den wohlverdienten Ruhm seiner Kunst ernten. Doch: Yekta würde es nie über das Herz bringen, Abschied von Istanbul zu nehmen. Tan Oral Wolkenkratzer Tageszeitung Cumhuriyet, 20.10.2005 Tan Oral Apartment und Minarett Tageszeitung Cumhuriyet, 24.02.2006 Wuchernder Wohnungsbau und fehlende Stadtplanung sind in Istanbul seit den 1980ern vermehrt Thema. Landflucht, Bauspekulation und die Legalisierung illegaler Bauten vor Kommunalwahlen sind die wichtigsten Hintergründe. Latif Demirci Türkei: ich habe Hunger Tageszeitung Hürriyet, 2007 Thema ist nicht nur die Kluft zwischen Reichtum und Armut, sondern vor allem auch die soziale Gleichgültigkeit einer am globalisierten Konsum teilnehmenden Ober-­‐ und Mittelschicht. Seit den 1990ern kursieren der Begriff "schwarze" und "weiße" Türken für das Nebeneinander von etablierten, wohlhabenden Großstädtern und immer mehr verarmenden Binnenmigranten. 42 Ferit Öngören Istanbul Aus dem Besitz des Zeichners, 1960er Ferit Öngören erzählt in feinen Bleistiftzeichnungen detailgenaue Geschichten aus Istanbul. 1964 bittet der Schriftsteller Orhan Kemal den Zeichner ein Buch mit Kurzgeschichten zu illustrieren. Es beginnen Jahre des gemeinsamen Erwanderns der Metropole am Bosporus und es bleibt ein unersetzliches Zeitdokument der rapiden urbanen Veränderungen. Angaben entnommen aus: Küper-­‐Büsch, Sabine, Nigar Rona, Die Nase des Sultans. Karikaturen aus der Türkei. Padişahın Burnu. Türkiye’den Karikatürler. Istanbul
43 In der Ausstellung erwähnte Medien
Tages-­‐ und Wochenzeitungen Agos 1996 in Istanbul gegründete armenisch-­‐türkische Wochenzeitung. Auflage von 5000 Exemplaren . Nach der Ermordung des Chefredakteurs Hrant Dink am 19.01.2007 verdoppelt sich die Auflage eine Zeit lang. Akşam Der Abend. Eine 1918 von einem Verlegerkollektiv gegründete Tageszeitung. Sie wird heute von der Türk Media herausgegeben und hat eine Auflage von ca. 151.000. Politisch ist die Boulevardzeitung mitte-­‐rechts-­‐nationalistisch orientiert. Cumhuriyet Die Republik. 1924 gegründete türkische Tageszeitung. Politisch links-­‐kemalistisch (die Bewahrung der Prinzipien des Staatsgründers Atatürk ist das Hauptanliegen). Auflage von ca. 60.000. Hürriyet Die Freiheit. Eine 1948 von dem Verleger und Karikaturisten Sedat Simavi gegründete Tageszeitung. Hürriyet ist heute eine Boulevardzeitung, die in der Doğan-­‐Gruppe erscheint und eine Auflage von ca. 500.000 Exemplaren hat. Politische Ausrichtung: liberal-­‐
konservativ, AKP-­‐Regierungskritisch. Milliyet Die Nationalität. Eine liberale, türkische Tageszeitung, Auflage ca. 204.000 Exemplare. Gegründet wurde sie 1950 von Ali Naci Karacan. Heute ist Milliyet Teil der DK Gazetecilik. Radikal Die linksliberale Tageszeitung der Doğan-­‐Gruppe erscheint in einer Auflage von 40.000 Exemplaren. Şalom Der Frieden. Şalom ist eine auf Türkisch erscheinende Wochenzeitschrift der jüdischen Gemeinde. Eine Seite erscheint auf "Ladino", der Sprache der sephardischen Juden. (Auflage: 5.000). 44 Satire-­‐Zeitschriften Akbaba Der Geier. Zwischen 1922 und 1977 erscheinende, wöchentliche Satirezeitung. Neben politischen, oft ganzseitigen Karikaturen auch Texte zu Literatur, Theater und satirisches Feuilleton. In den besten Zeiten erreicht die Zeitschrift in den 1960ern eine Auflage von 100.000 Atom siehe LeMan Aydede Während des Unabhängigkeitskrieges (1919-­‐1922) dem Sultan treue Satirezeitschrift. Antagonist zu Güleryüz. Çıngıraklı Tatar Tartarus, Hüter der Unterwelt in der griechischen Mythologie, mit einer Glocke. Osmanische Satirezeitschrift, 1873. Davul Die Trommel. Osmanische Satirezeitschrift (1908-­‐1911 ). Dolmuş Das Sammeltaxi. Eine 1956 erscheinende Satirezeitschrift. Gırgır Der Spaß. Von 1972 bis 1989 erscheinende Satirezeitschrift. Mit einer periodischen Auflage von einer halben Millionen zeitweise eines der Blätter mit der größten Leserschaft in der Türkei. Der Cartoonist Oğuz Aral nutzt die Redaktion als Schmiede einer neuen Generation von Zeichnern. 2007 kommt es zu einer Neuauflage der Zeitschrift. Güleryüz Das lachende Gesicht. Eine während des türkischen Unabhängigkeitskampfes wöchentlich in Istanbul erscheinende, die Bewegung um Mustafa Kemal Atatürk unterstützende Satirezeitschrift (1921-­‐23). H.B.R. Maymun siehe Hıbır 45 Hıbır Eine Gruppe von bei Gırgır aussteigenden Zeichnern gründet 1989 die Zeitschrift Hıbır. Sie "existierte bis 1995 und heißt zum Schluss H.B.R. Maymun. Karagöz Von 1908 bis 1939 erscheinende Satire-­‐Zeitschrift. Kalem Der Schreibstift. Auf Osmanisch und Französisch erscheinende Istanbuler satirische Salonzeitschrift (1908-­‐1911). Limon Die Zitrone. Ein Kreis von bei Gırgır aussteigenden Zeichnern gründet 1988 die Zeitschrift Limon. Sie erscheint bis 1991. Ihr Nachfolger ist LeMan. LeMan Entsteht 1991 aus Limon. Die von Mehmet Çağçağ und Tuncay Akgün geleitete Verlagsgruppe umfasst heute mehrere Hefte. Im Zentrum steht LeMan; LeManyak ist schriller und enthält weniger Politik; Atom ist die an ein junges Publikum gerichtete künstlerische Nachwuchs-­‐Zeitschrift. Marko Paşa General Marko. Die Zeitschrift Marko Paşa erscheint zwischen 1946 und 1950 unter Federführung berühmter Satiriker wie Aziz Nesin, Rıfat Ilgaz und Mustafa Mim Uykusuz. Als oppositionelle Satirezeitschrift hat sie mit bis zu 60.000 Exemplaren eine damals von großen Tageszeitungen nicht erreichte Auflage. Penguen Der Pinguin. Eine Gruppe von Zeichnern um Metin Üstündağ, Selçuk Erdem, Bahadır Baruter und Erdil Yaşaroğlu trennt sich 2002 von LeMan und gründet Penguen. Uykusuz Schlaflos. Eine Gruppe von Zeichnern um Yiğit Özgür und Memo Tembelçizer trennen sich 2007 von Penguen und gründen die Zeitschrift Uykusuz. 46 Weiterführende Literatur: §
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Erzeren, Ömer, „Rolle der Medien“, in: Steinbach, Udo (Hg.), Länderbericht Türkei. Bonn 2012, S. 169-­‐183. Küper-­‐Büsch, Sabine, Nigar Rona, Die Nase des Sultans. Karikaturen aus der Türkei. Padişahın Burnu. Türkiye’den Karikatürler. Istanbul 2008. Schmidt, Christoph, Rolf Schwartmann (Hrsg.), Türkei: Medienordnung auf dem Weg nach Europa? Dokumentation der wissenschaftlichen Fachtagung Deutsche Welle Mediendialog April 2011. Bonn 2011. 47 Osmanische Satirezeitschriften in der Bibliothek des Asien-­‐Afrika-­‐Instituts In der Ausstellung z.T. gezeigte Zeitschriften §
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Aydede (Mond). Pazartesi ve perşembe günleri neşrolunur, bîtaraf hoşsohbet/mizâh gazetesi Herausgeber: Refik Halid [Karay]. 2mal wöchentlich Erscheinungszeitraum: 2 Kanun II 1338/1922 – 9 Teşrin II 1339/1923, I-­‐II, 1-­‐90. Akbaba (Geier). Pazartesi ve perşembe günleri neşrolunur siyasî mizâh gazetesi Herausgeber: Yusuf Ziya [Ortaç]. 2mal wöchentlich Erscheinungszeitraum: 7 Kanun I 1338 – 29 Teşrin II 1928, I-­‐VI, 1-­‐623. Kalem (Schreibstift). Journal humoristique paraissant le jeudi. Perşembe günleri neşrolunur edebî, mizâh gazetesi Herausgeber: Salâh Cimcoz, Celâl Es’ad. Wöchentlich Erscheinungszeitraum: 21 Ağustos 1324 – 16 Haziran 1327, I-­‐III, 1-­‐130 (französich/osmanisch). Kelebek (Schmetterling). Perşembe günleri neşrolunur edebî, mizâh mecmuası Herausgeber: Ahmed Şefik, Mehmed Reşad. Wöchentlich Erscheinungszeitraum: 12 Nisan 1339 – 25 Eylül 1340, I-­‐II, 1-­‐77. Papağan (Papagei). Çarşamba günleri neşrolunur, haftalık edebî mîzah gazetesi Herausgeber: Orhan Seyfi [Orhon]. Wöchentlich Erscheinungszeitraum: 23 Nisan 1340/1924 – 28 Teşrin II 1928, I-­‐IV, 1-­‐239; VI, 1-­‐37. Yeni Kalem (Neuer Schreibstift). Perşembe günleri neşrolunur edebî, içtimaî, mîzah mecmuası Herausgeber: Orhan Seyfi [Orhon]. Wöchentlich Erscheinungszeitraum: 6 Teşrin I 1927 – 5 Nisan 1928, 1-­‐25. Zümrüd-­‐ü ‘Ankâ (großer Vogel der Legenden). Pazartesi ve perşembe günleri neşrolunur millî, mizâhi, resimli halk gazetesi Herausgeber: Semih Lütfi [Erciyes]. 2mal wöchentlich Erscheinungszeitraum: 11 Kanun II 1339 – 23 Nisan 1341, I-­‐III, 1-­‐224. 48 Literatur (Auswahl) Geschichte und Gegenwart der Türkei §
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Günay, Cengiz, Geschichte der Türkei. Von den Anfängen der Moderne bis heute. Wien 2012.Kreiser, Klaus, Geschichte der Türkei. Von Atatürk bis zur Gegenwart. München 2013. Öktem, Kerem, Turkey sind 1989: Angry Nation. London, New York 2011. Steinbach, Udo (Hrsg.), Länderbericht Türkei. Bonn 2012. White, Jenny, Muslim Nationalism and the New Turks. Princeton, Oxford 2013. Geschichte der Satire und Karikatur §
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Perspectives. Political analysis and commentary from Turkey, Nr. 15 (2013): Gezi Park. A New History is Beginning. Url: http://www.tr.boell.org/downloads/perspectives_5_toplu_eng.pdf Göle, Nilüfer, „Gezi – Anatomy of a Public Square Movement“, Insight Turkey, Jg. 15, Nr. 3 (2013), S. 7-­‐14. Medien und Presse §
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Erzeren, Ömer, „Rolle der Medien“, in: Steinbach, Udo (Hg.), Länderbericht Türkei. Bonn 2012, S. 169-­‐183. Küper-­‐Büsch, Sabine, Nigar Rona, Die Nase des Sultans. Karikaturen aus der Türkei. Padişahın Burnu. Türkiye’den Karikatürler. Istanbul 2008. Schmidt, Christoph, Rolf Schwartmann (Hrsg.), Türkei: Medienordnung auf dem Weg nach Europa? Dokumentation der wissenschaftlichen Fachtagung Deutsche Welle Mediendialog April 2011. Bonn 2011. 50 

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