donaukurier.de - meine Heimat - Alevitische Gemeinde Deutschland

Transkript

donaukurier.de - meine Heimat - Alevitische Gemeinde Deutschland
donaukurier.de - meine Heimat
22.07.2015 21:08 Uhr
Wo jeder zufrieden sein soll
Ingolstadt (DK) „Aleviten? Davon hab ich noch nie gehört“, erzählt die 13-jährige Luisa. Mit rund 40 Mitschülern
vom Gymnasium Gaimersheim war sie zu Besuch in einem Gebetsraum der Glaubensrichtung.
Gülseren Aksu teilt
Süßigkeiten aus: Mit
einem Experiment erklärt
die 40-Jährige den
Schülern des Gymnasiums
Gaimersheim, dass erst
jedes der anwesenden
Gemeindemitglieder
zufrieden und alle sich
einig sein müssen, bevor
Aleviten
zusammenkommen
können. Also teilten die
Schüler die Süßigkeiten
gerecht untereinander auf
- Foto: Eberl
Gülseren Aksu, Mitglied der Gemeinschaft in Ingolstadt, erklärte den Buben und Mädchen, woran
Aleviten glauben. 40 Schüler sitzen im Kreis auf dem orangefarbenen Teppichboden im Gebetsraum
des alevitischen Kulturzentrums in der Seeholzerstraße und erwarten gespannt, was Gülseren Aksu
zu erzählen hat. Sie teilt den Schülern erst einmal Süßigkeiten aus. Manch einer bekommt eine oder
zwei kleine Tüten Gummibärchen, andere zwei Schokoriegel oder ein Hanuta. Einige aber gehen leer
aus. „Ist jeder zufrieden“, fragt Aksu. Einige „Jas“ sind zu hören, viel lauter aber vernimmt Aksu die
häufige Antwort „Nein“. Deshalb schlägt Aksu vor, dass die Schüler untereinander teilen. Dann stellt
sie ihre Frage noch einmal.
Die 40-Jährige engagiert sich aktiv in der Gemeinschaft, ab September wird sie die erste alevitische
Religionslehrerin in Ingolstadt sein. Jeden Freitagnachmittag gibt es für Schüler alevitischen
Glaubens an der Grundschule „Auf der Schanz“ dann Religionsunterricht. Dafür hat Aksu an der
Pädagogischen Hochschule in Weingarten studiert. Mit einem kleinen Test erklärte sie den Schülern
des Gymnasiums Gaimersheim ein wichtiges Prinzip des Alevitentums. Denn die Gläubigen können
nur in einem Raum zusammenkommen, wenn alle zufrieden sind. „Ohne Einvernehmen ist es nicht
möglich, unseren Gottesdienst zu feiern. Friede ist sehr wichtig“, bekräftigt Aksu noch einmal. Ein
feierlicher Gottesdienst dauert im Alevitentum oft zwischen zwei und drei Stunden, die Gläubigen
feiern ihn aber nur vier- bis fünfmal im Jahr, wie Hasan Erdogan erklärt. Er ist Dede, einer der
ehrenamtlichen Geistlichen der Gemeinde. Er zeigte den Schülern auch das Spiel auf dem Baglama,
ein anderer Name für das Saiteninstrument lautet Saz. Denn wenn Aleviten zusammenkommen, darf
dieses Instrument nicht fehlen. Die Aleviten bewegen sich gerne, ihr mystischer, traditioneller Tanz heißt Semah. Beim
Musikspiel sitzt der Dede auf dem Boden, so wie alle Aleviten, wenn sie ihren Gottesdienst feiern. Ob die Aleviten sich nun zum
Islam zählen, lässt sich nicht so leicht klären. Nach dem Tod des Propheten Mohamed habe es verschiedene Spaltungen
gegeben. Hasan Erdogan sagt, dass das jeder für sich selbst entscheiden müsse. „Ich persönlich zähle mich zum islamischen
Glauben. Für mich bedeutet der Glaube aber vor allem Frieden.“
Aleviten suchen den Glauben nicht in bestimmten Regeln oder Handlungen, wie in der im Koran vorgeschriebenen Pilgerreise
nach Mekka, sondern in sich selbst, wie Erdogan erklärt. Beten könne man deshalb auch zu Hause und alleine. Der Koran sei
jedoch trotzdem wichtig. Bezeichnend ist außerdem die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Das zeige sich auch darin,
dass alevitische Frauen keine Kopftücher tragen. Die Aleviten gelten als liberal und tolerant, Freiheit ist den Gläubigen sehr
wichtig.
Im Unterricht hatten sich die Gaimersheimer Schüler vor allem mit dem schiitischen Islam beschäftigt, wie Andreas Hilz, Lehrer
für katholische Religionslehre, erzählt. Dass die Schüler nun zu Besuch im alevitischen Kulturzentrum waren, hatte sich
kurzfristig ergeben. „Unser Ziel ist es, dass die Schüler eine andere Religion live kennenlernen“, sagt Sieghart Schneider,
evangelischer Pfarrer und Religionslehrer am Gymnasium Gaimersheim. „Sie sollen Achtung und Respekt entwickeln und
Andersgläubige akzeptieren.“ Er freut sich, dass die Buben und Mädchen viele Fragen gestellt haben, ihren Glauben mit dem
alevitischen verglichen und nachgefragt haben.
Dass es nämlich auch im Islam große Unterschiede zwischen den zahlreichen Glaubensrichtungen gibt, haben einige Schüler
nicht gewusst. „Ich hab’ gedacht, es ist alles wie bei den Muslimen.“ Auch Luisa Härec weiß jetzt, was im alevitischen Glauben
wichtig ist. „Er ist dem Islam, den wir so kennen, gar nicht so ähnlich. Denn die Aleviten tragen zum Beispiel keine Kopftücher.“
Ihr Mitschüler Leon Rohrberg findet es bemerkenswert, dass alle Menschen gleichberechtigt sind.
Von Clara Böcker
zu diesem Artikel sind keine Beiträge vorhanden
Um Beiträge schreiben zu können, müssen Sie eingelogged sein!
Benutzername
Passwort
Login
Noch keinen Zugang?
Jetzt kostenlos registrieren!
Anmeldung über Cookie merken
http://www.donaukurier.de/lokales/ingolstadt/Ingolstadt-Wo-jeder-zufr...
23.07.2015 10:43
donaukurier.de - meine Heimat
Das könnte Sie auch interessieren
Kein Freibier für Vereine
Dollnstein (DK) „Das Bier entscheidet“: Einen der Slogans seiner politischen Heimat hat sich
Den FriedWald Lohmar-Heide kennenlernen
Nehmen Sie am 25. Juli um 14 Uhr an einer kostenlosen Waldführung teil!
mehr...
mehr...
Weg vom Egoismus, hin zum Kollektiv
Hamburg (DK) Niemand mehr hätte in der vergangenen Saison auf den Hamburger SV gewettet, und am
mehr...
Thomas Dick über das Spiel"The Elder Scrolls...
Natürlich ist „Skyrim“ nicht mehr das aktuellste Spiel, aber das muss es auch gar nicht, um eines
mehr...
Microsoft geht gegen "Rachepornos" im...
Microsoft hat eine Website eingerichtet, bei der sich Opfer von sogenannten Rachepornos melden
mehr...
Abnehm-Industrie schockiert – warum?
Mutter entdeckt einen unglaublichen Trick und verliert 12 Kilo in nur 30 Tagen. Hier zu Ihrem Report
Hier auf donaukurier.de werben
mehr...
powered by plista
Nachrichten-Ticker
Polizeimeldungen
09:36 IN Lkw-Unfall auf der A9: Zwei
18:49 IN Auto prallt gegen
Spuren gesperrt
14:57 IN Audi-Fertigung in
Münchsmünster wird weiter
ausgebaut
Betonmauer
14:31 Enkeltrickbetrüger geschnappt
15:12 IN Auffahrunfall mit sechs
Fahrzeugen auf der A9
17:50 IN Kinder als große Fußballer
URL: http://www.donaukurier.de/lokales/ingolstadt/Ingolstadt-Wo-jeder-zufrieden-sein-soll;art599,3101364
http://www.donaukurier.de/lokales/ingolstadt/Ingolstadt-Wo-jeder-zufr...
23.07.2015 10:43

Benzer belgeler